Viel Luft unterm Hintern
Eine Nacht in der Felswand. Das erfordert Schwindelfreiheit und Vertrauen in Klettergurt und Bohrhaken. Ein Selbstversuch.
mich gekidnappt haben, hat tatsächlich etwas Erhabenes. Vor uns streckt sich der Wilde Kaiser in den Abendhimmel – selbstbewusst überstrahlt er „sein“Reich. Auf der anderen Talseite wachsen die Steilwände der Loferer Steinberge nach oben – schroff und spektakulär. „Ende nie“heißt eine der Klettertouren hier. Wie treffend. Mit 38 Seillängen ist es eine der längsten Kletterrouten in den Ostalpen.
Zu unserem Nachtlager an der Felswand des Urlkopfs geht es gemütlicher. Der Zustieg über die beschauliche Loferer Alm gleicht einer familienfreundlichen Wanderung. Im Schatten knorriger Tannenäste- mischen sich kleinere Felsbrocken und die für das Kalkgestein typischen Karsttrichter in den moosigen Waldboden. Nach einem Labyrinth durch Latschengehölz ist plötzlich Ende im Gelände. Die Abrisskante des Urlkopfs ist erreicht.
Wie eine Stopptafel warnt ein direkt am Rand in den Boden gerammtes, mit einer metallischen Edelweißplakette geschmücktes Kreuz vor dem – Nichts.
Der erste Blick fällt wie Senkblei in die Tiefe. Das Wipfelmeer der Nadelbäume wirkt von heroben wie ein weit entferntes Moosbeet, durchzogen von einem grauen (Asphalt-)
Letzte Materialchecks, erste Anweisungen. Dann vertraue ich mein Leben einem acht Zentimeter kurzen Bohrhaken an. Zweieinhalb Tonnen Zugkraft hält die kleine Metallöse dank ihrer in den Felsen getriebenen Spreizanker aus, beruhigt mich Chris. Na dann! Von nun an geht’s bergab. Senkrecht. Weil von den Gästen keine Kletterkenntnisse erwartet werden, wird Richtungnachtlager nicht aufgestiegen, sondern abgeseilt. Auch nichts für einen Felswand-novizen.
Ich liefere mich der Schwerkraft und einem acht Millimeter dünnen Seil aus. Die Belohnung: ein mit Sternen vollgestopfter Himmel überm Bett. „Cliff Cabana“nennt sich das Modell des Ausrüsters etwas großspurig. 213 Zentimeter lang, 130 Zentimeter breit, aufgespannt zwischen vier fragilen Alurohren, festgezurrt am Sicherungsseil mit einer Einpunktaufhängung. Zu viel Platz für zwei Personen ist es nicht. Sind Isomatten und Schlafsäcke erst einmal ausgerollt, müssen andere Gepäcksstücke und Schuhe in den freien Luftraum ausgelagert werden. Dort draußen baumeln würde bei „echten“, mehrstündigen Klettertouren durch große Wände noch ein weiteres Utensil, nämlich ein eigenes „Sackerl fürs Gackerl“– womit auch die am häufigsten gestellte Frage beantwortet wäre: Nein, es gibt kein Klo in derwand.