Im permanenten Kampfmodus
Der Maulkorb-erlass stürzte Herbert Kickl in neue Turbulenzen. Am Abend wurde die Schuld auf einen Mitarbeiter abgewälzt.
ickl posiert mit schwer bewaffneten Polizisten, Kickl übergibt ballistische Schutzwesten, Kickl beim Tandemsprung bei der Cobra: Durchstöbert man die Facebook-seite des Innenministers, gewinnt man den Eindruck, dass sich Herbert Kickl im permanenten Kampfmodus befindet. So werden Inserate platziert, die suggerieren, dass ein Amoklauf oder ein Terroranschlag bevorstünden. Obwohl die Gefährdungsanlage schon einmal eine höhere war. Die Polizei, dein Freund und Helfer, dieses Bild hat Risse bekommen. Lieber Stahlhelm als Kinderlächeln imverkehrskindergarten.
Das umstrittene interne Schreiben des Ministeriums, das denweg in die Öffentlichkeit gefunden hat, fügt sich nahtlos ins Bild. Zum einen wird der Polizei nahegelegt, bei Straftaten auch die Nationalität des Täters zu nennen, zum anderen werden die Dienststellen angehalten, die Kooperation mit kritischen Medien auf das Notwendigste zu reduzieren. Nun mag es sein, dass das Papier nicht über den Schreibtisch des Ministers gewandert ist. Gestern Abend ging Kickl zu einer Passage des Schreibens, zum Maulkorb-erlass, auf Distanz und schob die Schuld auf einen seiner Mitarbeiter – ein wenig glaubwürdiges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass Kickl das Ministerium mit harter Hand führt. Jedenfalls drückt das Schreiben eine Geisteshaltung aus, die der blauen WagenburgMentalität nicht ganz fremd ist: Man wähnt sich im Abwehrkampf gegen einen unberechenbaren, bösartigen Außenfeind.
Diese Haltung entspringt einer Mischung aus Ideologie, Kalkül, persönlicher Befindlichkeit. In keiner einzigen Rede fehlt der Verweis auf das „subjektive Sicherheitsgefühl der Österreicher“. Kickl weiß eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Jene Parteien, die bei der Nationalratswahl im Oktober 2017 auf Law and Order gesetzt haben (ÖVP und FPÖ), haben ihren Stimmenanteilum13 Prozentpunkte (!) auf 57 Prozent hinaufgeschraubt – und sitzen in der Regierung. Nach der Flüchtlingswelle, den Terroranschlägen in Europa und Berichten über Straftaten in Migrantenkreisen ist das Sicherheitsempfinden erschüttert. Instinktsicher setzt der Fpö-minister hier an, rüstet die Polizei auf, schafft eine Grenzschutztruppe, erteilt jeglichem Asylverfahren auf europäischem Boden eine Absage und erweckt den Eindruck, dass Österreich im permanenten Alarmzustand ist – und Kickl und die Polizei jederzeit zur Stelle sind. Kickl ließ zu Beginn seiner Amtszeit medienwirksam ein Feldbett im Nebenkammerl seines Büros aufstellen – für den Fall des Falles. Die Gefahr lauert überall.
Die Zeit als Fpö-generalsekretär hat Kickl tief geprägt. Die Freiheitlichenwollten „das System“aufmischen und haben sich so viele Feinde gemacht. Statt sich der klassischen Medien zu bedienen, schuf man via Facebook eigene Kanäle, umin direktenkontakt mit der Basis zu treten. Zu kritischenmedien suchte man nie den Kontakt – bis heute nicht.
So gesehen ist Kickl jenes Regierungsmitglied, das am wenigsten in seinem neuen Amt angekommen ist.