Chaos-tage in der SPÖ
Die Partei ist auf dem bestenweg, sich ins Tal der Tränen zu begeben, wie einst jahrelang die ÖVP. Umdas zu ändern, müsste man inhaltlich eine wetterfeste Linie finden.
Der König ist tot, es lebe die Königin: Man muss auf der Spö-homepage schon sehr weit klicken, um überhaupt noch eine Spur von Christian Kern zu finden. Seitlich gut versteckt auf Seite 9 des „Plan A“prangt immerhin noch eineunterschrift jenes Mannes, dem die Partei eben noch zu Füßen lag.
Die spezifische Hast des Politik-betriebs und seine unausrottbarevorliebe für alles Oberflächliche verlangen scheinbar bruchlose Übergänge. Außendarstellung ist alles. Pamela Rendi-wagnerweiß das und hat gleich einmal rücksichtslos reinen Tisch gemacht. Sie und ihr neuer Geschäftsführer Thomas Drozda vollführen in diesen Tagen die kompromisslose Flucht nach vorne, um allen Kritikern die Schneid abzukaufen.
Natürlich darf sich eine neue Vorsitzende ihr Team aussuchen. Aber Politik ist auch eine Stilfrage, und da hat RendiWagner noch Luft nach oben. Es wirkt plump und übrigens auch schwach, wenn verdiente Funktionäre wie Max Lercher grußlos auf die Straße gesetzt werden. Und auchwiens mächtiger Mann Michael Ludwig sinnt recht unverhohlen auf Rache. Denn das labile Gleichgewicht im Wiener Spö-porzellanladen, von Ludwigmühsamaustariert, wurde von RendiWagner durch die Kaltstellung von Andreas Schieder umstandslos zu Fall gebracht.
Inhaltlich wird es sowieso noch rundgehen in der Partei. In der Asylpolitik hat man jetzt zwar ein Papier, aber dieses gleicht fast komplett dem Regierungsprogramm – auch wenn die armen Spö-funktionäre so tun müssen, als gäbe es fundamentale Unterschiede. Außerdem kann das Papier nicht über die unterschiedlichen Zugänge innerhalb der SPÖ hinwegtäuschen. Wenn alle Brüche übertüncht und inhaltliche Differenzen kleingeredet werden, dann bringt das zwar trügerische Ruhe für den Augenblick. Mittelfristig aber nährt es denwiderstand.
Wer jedenfalls glaubt, die ak- tuellen Chaos-tage in der SPÖ seien nur der kurzfristigen Irritation durch Kerns furios vermasselten Abgang geschuldet, ist im Irrtum. Vielmehr läuft die Partei Gefahr, anhaltendenwirren entgegenzublicken wie seinerzeit die alte ÖVP, die alle 18 Monate auf offener Bühne das blutige Stück „Obmanndebatte“zum Besten gab.
Zwar – das ist die gute Nachricht – kann es in der SPÖ keine Obmanndebatten geben, weil der Chef dort nicht Obmann heißt, sondern Vorsitzende/r. Aber das war dann schon der ganzetrost. Im Übrigen gilt das eherne Gesetz der Macht: Solange die SPÖ nicht wieder den Kanzler stellt, wird die Parteispitze unter Erfolgsdruck gestellt oder bald abgelöst. ber womöglich ist das Chaos ja eine Form von Strategie. Keine Partei hat nämlich in den letzten Jahren so viel von „Öffnung“geredet wie die SPÖ. Wer sich so energisch öffnet, der darf sich dann halt nicht wundern, wenn vor lauter Öffnung plötzlich die Geschlossenheit fehlt. Ist aber wahrscheinlich eh besser. Denn wer Geschlossenheit will, der muss zusperren!
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