Diskretion statt Stoff für Diskussionen
Der steirische herbst will mit mehreren Installationen im öffentlichen Raum Diskussionen anstoßen, die nicht nur das Kunstpublikum berühren. Das gelingt allerdings nur zum Teil.
Sie wolle nicht nur deklarierte Kunstliebhaber, sondern auch Passanten, also Zufallspublikum mit Kunst erreichen, hat herbst-intendantin Ekaterina Degot bei der Festivaleröffnung letzte Woche erklärt. Auf dem Grazer AndreasHofer-platz wird dieser Anspruch derzeit jedenfalls erfüllt, denn wer auf denwartebänken des Busbahnhofs Platz nimmt, kommt der Installation „Schulausflug“von Michael Zinganel und Michael Hieslmair zumindest akustisch nicht aus. Aus einem Busanhänger, geschmückt mit Bildern traditioneller Schulausflugsziele, berichten Kinder- und Erwachsenenstimmen nicht nur von Exkursionen zu Erzberg, Hochofen, Puchwerk, Kaserne, sondern auch von deren historischer Verknüpfung mit Zwangsarbeit, Gefangenenlagern, Erschießungen, Todesmärschen in der Ns-zeit. Guter Denkstoff über Bildung, Verdrängung, Indok-
trination; und auch, dass Turnstunden und Wandertage bereits im Austrofaschismus der „vormilitärischen Ausbildung“dienten, weiß man nach Besuch der Installation.
Ein paar Ecken weiter, mitten auf dem Hauptplatz, warnt ein Aufkleber auf einem schwarz lackierten Container: „Keine Waffen! Keine Munition!“Sonst allerdings nimmt die Kiste alles auf, was an Nazi-memorabilia noch so zu Hause herumliegen könnte. Yoshinori Niwas Projekt „Withdrawing Adolf Hitler from a Private Space“lädt dazu ein, Nazi-devotionalien aus Familienbesitz loszuwerden. Was immer in der Kiste landet, wird zu Festivalende geschreddert und entsorgt. Niwa ist es damit gelungen, eine Diskussion über den Umgang mit Geschichte in Gang zu bringen, denn nicht wenige regt das Projektziel auf: Sie wollen das Eingesammelte zumindest dokumentiert und historisch eingeordnet wissen, berichtet ein Kunstvermittler, der am Container Dienst schiebt. Der ist übrigens rund um die Uhr bewacht, bekanntlich wurde Kunst zu NS-THEmen in früheren herbsten ja schon Ziel von Attentaten.
Keine Bewachung braucht allerdings die Installation „The Standing Wave“von Rossella Biscotti und Kevin van Braak am Eisernen Tor. Die Objekte im Brunnenbecken sehen aus wie Architekturmodelle aus Metall und sind faschistischen Freizeitbauten der Vorkriegszeit nachempfunden. Alles sehr diskret: Wo einst Hans Haackes unübersehbare „Siegessäule“einen Brandanschlag provozierte, wird diesmal garantiert keinpassant aus seiner Gemütsruhe gerissen. Und auch die Installation „Aurora“des Kollektivs ZIP group entgeht der öffentlichen Aufmerksamkeit bisher eher: Das auf dem Dach der Arbeiterkammer montierte Stahlskelett mit dem nachts rot glühenden Blick, das laut Programmheft „Faschisten verscheuchen“soll, fällt im Stadtbild einfach nicht auf.