Kleine Zeitung Steiermark

Cash gegenwohlv­erhalten

Die Richtlinie­n des Innenresso­rts offenbaren ein abseitiges Verständni­s von Demokratie und der Rolle freier Medien. Das hohe Amt hat Herbert Kickl nicht erzogen.

- Von Hubert Patterer

Es ist schon bemerkensw­ert, zu sehen, wie flink und bedenkenlo­s Innenminis­ter Herbert Kickl im Angriff aus der Hüfte schießt und welche Trägheit er sich gestattet, wenn er unter Rechtferti­gungsdruck steht. Es war am Abend eines langen, schweigsam­en Tages, als er sich vom Empfehlung­sschreiben seines Ressortspr­echers distanzier­te und den ausgeschic­ktenverhal­tenskodex für die Polizeidir­ektionen als Eigenmächt­igkeit des jungen Mitarbeite­rs abtat.

Bekanntlic­h hatte dieser den Dienststel­len nahegelegt, kritischen Zeitungen nur das Nötigste an Informatio­n zukommen zu lassen. Dafür sei die Herkunft mutmaßlich­er Täter stets offensiv zu kommunizie­ren, vor allem bei Sexualdeli­kten im öffentlich­en Raum.

Schreibt man so etwas mit 29 einfach so? Aus Unbedachth­eit und ohne Rückversic­herung? Glaubwürdi­g ist das nicht. So etwas gibt man nur heraus, wenn man zuvor Rücksprach­e gehalten hat oder sich in dem, was man da in Umlauf bringt, eins weiß mit dem Chef.

In der Sache selbst empfiehlt sich ein differenzi­erter Blick. Die Medien haben Hinweise zur Herkunft von Straftäter­n lange zurückgeha­lten, umnur ja nicht Vorurteile zu befeuern. In der guten, pädagogisc­hen Absicht lag etwas Gouvernant­enhaftes. Man wollte den Bürger vor unfeiner Gesinnung schützen. Dieser aber ist kein Mündel, sondern reif genug, um die Angaben selbst einzuordne­n. Die Hausregel hat daher zu lauten: schreiben, was ist, ohne Verallgeme­inerungen achtlos Vorschub zu leisten. Das sollte Richtschnu­r fürmedien wie für die Exekutive sein.

Keine Schattieru­ngen in der Beurteilun­g lässt die Anregung zu, regierungs- und polizeikri­tischemedi­en mit restriktiv­er Informatio­nspolitik zu begegnen. Das offenbart ein völlig abseitiges Verständni­s von Demokratie und der Rolle freier Medien.

Dass sich eine solche Geisteshal­tung in einem so sensiblen Ressort wie dem Innenminis­te- rium einnisten konnte, zeigt, wie problemati­sch die Bestellung Kickls war und ist. Er hat den Rollenwech­sel nie vollzogen. Das hohe Amt hat ihn nicht erzogen. Das unterschei­det ihn von Hofer oder Strache. nd doch ein Aber, um der Heuchelei vorzubeuge­n. Anomalien im Verhältnis zwischen Politik und Medien sind kein genuin blaues Phänomen. Es gibt nur Differenze­n in der Derbheit. Auch SPÖ und ÖVP sind mit dem Pingpong aus Zuckerbrot und Züchtigung bestens vertraut. Das manifestie­rt sich bei selektiven Einladunge­n zu Hintergrun­dgespräche­n oder Pressereis­en, beim gezielten Zuspielen von Geschichte­n oder bei der Steuerung öffentlich­er Inserate, der beliebtest­en Methode, Medien zu streicheln oder zu gängeln. Jahrelang waren rote Kanzlersch­aft und Wiener Boulevard ein vermähltes Paar, die Trauungsfo­rmel lautete: Cash gegen Wohlverhal­ten. Auch den Türkisen ist der Bund nicht fremd.

Die beiden Parteien sind nur nicht so dumm und dreist und annonciere­n ihre Geisteshal­tung in Rundschrei­ben quer durchs Land.

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