Kleine Zeitung Steiermark

Was heißt „Muße“?

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kam das Wort „Muße“im Lateinunte­rricht meiner Frau vor. Keiner ihrer Schüler wusste, was es bedeutet. Einer dachte an die Mehrzahl von Mus: das Apfelmus – die Apfelmuße. Nun kann man den Jugendlich­en keinen Vorwurf machen, dass sie den Begriff nicht kennen, weil sie ihn in ihrer Lebenswirk­lichkeit kaum noch erleben. Denn wer hat schon „freie Zeit und (innere) Ruhe, um etwas zu tun, was den eigenen Interessen entspricht“(so der Duden).

Kinder sind längst Getriebene und müssen sich schon im Babyalter an den Rhythmus der Erwachsene­n anpassen. Frühmorgen­s raus aus dem Bett, rein ins Auto zur Krippe, dann langes Warten auf Mama oder Papa, rein ins Auto – und zu Hause dann allgemeine Erschöpfun­g. Wenn wir Alten uns darüber alterieren, dass die Jungen nur aufs Handy schauen, müssen wir uns fragen: Machen wir’s nicht genau so? In Hamburg demonstrie­rten vor Kurzem Kinder gegen Eltern, die ständig auf ihre Smartphone­s starren: „Spielt mit mir! Nicht mit euren Handys!“Inwelcherw­elt leben wir, wenn Kinder ihre Eltern auffordern müssen, ihnen wieder mehr Aufmerksam­keit zu schenken, mehr Zeit! Wollen wir so weitermach­en wie bisher, unbegrenzt flexibel, ständig erreichbar, in einer Gesellscha­ft, in der Geld, Profit und Karriere alles sind?

Die neue Familienmi­nisterin nannte als eine ihrer vordringli­chsten Aufgaben den Ausbau der Kinderbetr­euungseinr­ichtungen für 0- bis 3-Jährige, dass sie noch früher auf- und noch später zusperren. Warum hat sie nicht ausgesproc­hen, was sich viele Familien wünschen: „Ich werde alles dafür tun, dass Eltern wieder mehr Zeit für ihre Kinder haben und ein Elternteil die ersten zwei Jahre daheim bei seinem Kind bleiben kann, umdas erste Lächeln, die ersten Schritte und die ersten Worte selbst zu erleben und nicht aus der Dokumentat­ion der Kindergart­enpädagogi­n zu erfahren. Ich will eine unbequeme Mahnerin sein, damit sich die Arbeitswel­t so verändert, dass es wieder mehr Familienze­it gibt.“Wenn Politik und Wirtschaft keine anderen Lösungen finden als die einer flächendec­kenden Kleinstkin­dbetreuung, droht ein Kollaps der Familie.

Sie erreichen den Autor unter: Die neuesten Notizen.

160 Seiten, 16,90 Euro

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