Der „echte“Dr. House aus Hessen
Weil sich seine Studenten nicht für seltene Krankheiten interessierten, holte sich Jürgen Schäfer Dr. House als Türöffner in den Hörsaal. Wie der Medizindetektiv seine „Fälle“löst.
Jürgen Schäfer ist ein guter Geschichtenerzähler. Er hat aber auch gute Geschichten zu erzählen. So wie jene von dem Patienten, der an einer Bilharziose litt. Von dieser Krankheit sind 200 Millionen Menschen weltweit betroffen, es handelt sich um die zweithäufigste Tropenkrankheit. Nur: Der Patient war noch nie in den Tropen – wie kommt er also zu einer Krankheit, die über Parasiten in tropischen Gewässern übertragen wird? Es stellte sich heraus, dass der Mann ein begeisterter Garnelenzüchter war, mit 20 Aquarien. Die Garnelen hat er übers Internet bestellt – diese kamen dann im tropischen Wasser nach Deutschland. „Und so hat er sich angesteckt“, löst Schäfer auf.
Als Leiter des Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen des Uniklinikums Gießen-marburg sind solche Fälle sein täglich Brot: „Wir beschäf- tigen uns mit Krankheiten, die entweder selten oder unerkannt sind“, sagt Schäfer. Seltene Erkrankungen wie die Porphyrie, eine meist angeborene Stoffwechselkrankheit, beschäftigen Schäfers Zentrum: „Wenn Patienten zu uns kommen, haben sie schon eine langjährigeodyssee hinter sich und bringen drei dicke Ordner an Krankenakten und Befunden mit.“Die häufigen Erkrankungen seien dann schon ausgeschlossen – klagen die Patienten über extreme, kolikartige Bauchschmerzen, suchen Schäfer und sein Team daher nicht nach Gallensteinen, sondern eben nach Hinweisen für eine Porphyrie.
8000 Anfragen von Patienten, die auf der verzweifelten Suche nach einer Diagnose sind, hat das Zentrum in Marburg vorliegen – „das schaffen wir alles nicht mehr“, sagt Schäfer. Wie es zu diesem Ansturm kam, ist aber auch eine gute Geschichte.
Sie beginnt mit der Faszination des Jürgen Schäfer für seltene Erkrankungen. „In meiner Ausbildung forschte ich vier Jahre am National Institute of Health, das Eldorado für Medizinforschung in den USA. Dort trifft man regelmäßig Nobelpreisträger in der Cafeteria.“Zurück in Deutschland stand er mit dieser Faszination aber ziemlich alleine da: „Die Studenten zum Thema seltene Erkrankungen in die Hörsäle zu bringen, war sehr mühselig“, erinnert sich der Mediziner. Manchmal saß er nur mit zwei, drei Studenten im Seminar. Doch dann kam sein „Glücksfall“, wie er sagt – die Fernseh- serie Dr. House, über einen ebenso genialen wie unsympathischen Sherlock Holmes der Medizin. Schäfer fragte bei RTL an, ob er die gut recherchierten Folgen der Serie für seinevorlesungen verwenden dürfe – durfte er, und von da an fungierten sie als Türöffner für seine Studenten. Aber nicht nur das: Als die deutsche Presse davon erfuhr, wurde aus Jürgen Schäfer der deutsche Dr. House, eine Medienlawine rollte an – „teilweise saßen mehr Journalisten als Studenten im Hörsaal“. Und mit dermedienaufmerksamkeit kamen die Patientenschicksale.
Die Spurensuche
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Medizin-