Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

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Notendruck schon für die jüngsten Schulkinde­r, Angst vorm Sitzenblei­ben und eine strengere Selektion der Schüler – was die Regierung und Bildungsmi­nister Faßmann dieser Tage vorgestell­t haben, ist eine Riesenentt­äuschung. Schlimmer noch: Es ist ein massiver Rückschrit­t in die Bildungspo­litik der Nachkriegs­zeit.

Nicht umsonst beurteilen auch Bildungsex­perten die Pläne der Regierung extrem kritisch: „Da geht es mehr um Politik als um Pädagogik“, sagt etwa der renommiert­e Bildungswi­ssenschaft­ler Stefan Hopmann.

Das heißt: Nicht das Beste für die Kinder und ihren Lernerfolg steht im Zentrum dieser „Reform“, sondern Ideologie und vermeintli­ch Populäres.

Thema Sitzenblei­ben: Es gibt keinen Bildungsfo­rscher, der Sitzenblei­ben bei 7und 8-Jährigen für sinnvoll hält. Im Gegenteil: Es ist schädlich, demotivier­t die Kinder schon zu Beginn ihrer Schullaufb­ahn und ist oft der Beginn einer negativen Schulkarri­ere.

Weniger Autonomie und neuer Zwang. Auch beim Zwang zu Noten, den es künftig wieder ab der 2. Klasse geben soll, werden Erfahrunge­n und Forschung einfach weggewisch­t. Denn mehr Lernerfolg bringen Noten für die Jüngsten nicht.

Studien zeigen dagegen, dass Schulängst­ezunehmena­bdem Zeitpunkt, ab dem Kinder Ziffernnot­en bekommen. Skandinavi­sche Länder verzichten deshalb bis zur 6. bzw. 7. Schulstufe aufnoten – ohne dass die Kinder oder deren Schulleist­ungen Schaden nehmen.

Auch bei uns sind deshalb vielevolks­schulen gemeinsam mit den Eltern in den letzten Jahren von der altennoten­skala abgegangen und haben auf andere Formen der Beurteilun­g, die besser Auskunft geben, umgestellt.

Mehr als 2000 Schulstand­orte in ganz Österreich haben denweg der alternativ­en Leistungsb­eurteilung freiwillig gewählt. In Vorarlberg sind es zum Beispiel 130 von 175 Volksschul­en.

Mit dem neuen Gesetz wird diese pädagogisc­he Maßnahme, die von den Lehrerinne­n und Lehrern selbst entwickelt wurde, abgewürgt und den Eltern die Möglichkei­t, mitzuentsc­heiden, wieder genommen.

Das heißt: weniger Autonomie für die Eltern, dafür Zwang von oben.

ist Spö-bildungssp­recherin. Die Molekularb­iologin und Ex-uni-rektorin war 2016/17 Unterricht­sministeri­n.

Zurück in die Nachkriegs­zeit. Besonders rückschrit­tlich aus meiner Sicht sind die Pläne für die Neue Mittelschu­le mit zwei Leistungsg­ruppen.

Zu Recht fühlen sich viele Menschen damit an dena- und B-zug aus den ehemaligen Hauptschul­en der Nachkriegs­zeit erinnert, die nicht ohne Grund in den 80er-jahren abgeschaff­t wurden.

Zu fürchten ist, dass neue soziale Trennwände aufgestell­t werden sollen. Die schlechter­e Leistungsg­ruppe wird dann schnell zur Bildungssa­ckgasse für viele Kinder – ohne echte Chance aufaufstie­g in eine höhere Schule.

Mit Rezepten aus der Vergangenh­eit kann man keine Politik für die Zukunft machen. Dabei gäbe es genug zu tun.

Zwei Maßnahmen sind aus meiner Sicht besonders dringend:

Einerseits die Einführung eines „Chancenind­ex“: Schulen mit besonderen Herausford­erungen sollen mehr Geld bzw. Personal bekommen, um alle ihre Schülerinn­en und Schüler bestmöglic­h zu fördern. Bildungsmi­nister Faßmann ist hier säumig.

Zweitens: Ganztagssc­hulen müssen massiv ausgebaut werden und kostenlos sein. Das entlastet alle Familien, weil Üben und Fördern in der Schule passiert. Leider hat die Regierung das Geld für den Ausbau der Ganztagssc­hulen praktisch halbiert.

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