Hommage auf eine Queen und ihr Zeitalter
Wie Königin Victoria das britische Königshaus bis heute prägt. Eine neue Biografie.
Victoria zählt zu den unverwüstlichen Stars der europäischen Geschichte. Dutzende Filme und Bücher schildern sämtliche Seiten des Lebens der britischen Langzeitherrscherin. Herz und Schmerz mit Gemahl Albert, die lange geheim gehaltenebeziehung zu ihremschottischen Diener Brown– oder heiratete sie ihn sogar? –, die Vertrautheit mit dem indischen Lakaien Abdul. Das von Geschichtswissenschaftlern sezierte Leben der Queen dürfte kaum noch Geheimnisse verbergen.
Die deutsche Historikerin Karina Urbach, als Expertin der englischen Monarchie ausgewiesen, kann daher mit ihrer neuen Biografie nicht mit sensationellen neuen Erkenntnissen aufwarten, aber mit einem grundsoliden, wunderbar lesbaren Überblick über Sein, Schein und Nachwirken von Victoria und ihrer Familie. Wenn Queen Elizabeth II. und die Royals heute auch nur den leisesten Anschein von Parteilichkeit vermeiden (müssen), dann liegt das an Vorfahrin Victoria. Denn die war politisch unbequem, eigensinnig, stellte sich offen auf die Seite der Torys oder der Whigs, wie es ihr gerade passte. Sie zeigte, ob sie ihren jeweiligen Premierminister mochte oder nicht. Disraeli etwa verehrte sie, nicht nur, weil er seinermonarchin willig die gewünschte Kaiserkrone von Indien zu Füßen legte. Die Parteilichkeit der Queen gefährdete mitunter diemonarchie, sodass Prinzgemahl Albert versuchte, die Königin politisch zu zähmen.
Die Autorin entzaubert, durchaus freundlich, auch das angeblich heile Familienbild. Nurweich gezeichnet, von Prinz Albert für die Öffentlichkeit entworfen, umdie inverruf geratene Königsfamilie wieder respektabel zu machen. Irgendwie klingt das ja recht aktuell. Nach außen bieder, prüde, tatsächlich aberwarenvictoria und die ihren statt einer Vorbildfamilie ein zerkrachter Clan, in dem die Bosheit daheimwar. Die Dienerschaft habe der Queen, die sich in späteren Jahren immer mehr der Öffentlichkeit entzog, mehr bedeutet als die eigenen Kinder, schreibt Urbach. Doch nicht deswegen gilt Queenvictoria seither als Urmutter aller englischen Königinnen.
Christian Weniger Karina Urbach. Queen Victoria– Die unbeugsame Königin. 284 Seiten. Verlag C. H. Beck.
25,70 Euro.