Diewelt retten
plagen mich Selbstzweifel, weil ich immer noch so lebe, als gäbe es kein Morgen und ich könnte so weitermachen wie bisher. Ich sitze im Flugzeug statt im Zug, fahre mit dem Auto statt mit dem Rad und erwerbe viel zu oft Dinge, die ich nicht brauche.
Unlängst habe ich mir eine Hose gekauft, nur weil ihr Preis reduziert war. Wieder einmal konnte ich ein sagenhaft günstiges Sonderangebot nicht ignorieren. Sie hängt jetzt auf der Kleiderstange neben einem halbendutzend ebenfalls sagenhaft günstig erworbenen Hosen. Als ich die neue zum ersten Mal anhatte, erkannte meine Frau gar nicht, dass sie neu ist. Ich weiß, dass es nicht richtig ist, und trotzdem tue ich es, weil ich mich in die Ausrede flüchte: Was bringt es schon, wenn ich nicht mehr fliege und alle anderen machen es weiterhin? Allein kann ich ja doch diewelt nicht retten.
Meine jüngste Tochter denkt ganz anders. Sie kommt mitwenig aus. Vor ein paar Tagen hat sie ihr Zimmer aufgeräumt und dabei viele Sachen in Schachteln gelegt, die sie zur Caritas trug. Zum Anziehen kann man ihr schon lange nichts mehr schenken. Sie trägt keine neuen Pullis, sondern nur welche aus dem Secondhand-geschäft. Astrid, die immer etwas sieht, was meiner Tochter gut passen könnte, hat ihren Widerstand längst aufgegeben. Außerdem hat Sophie einen anderen Ge- schmack als ihre Mutter. Einen ganz anderen. Neulich habe ich ihre Schuhe abgezählt. Sie besitzt vier Paar, darunter sind keine aus echtemleder. Ihre vegane Lebensweise verbietet es ihr. Wenn sie einkauft, achtet sie darauf, woher dieware kommt, welche Inhaltsstoffe (Palmöl!) sie enthält, wie sie verpackt ist.
Anfangs erntete Sophie noch leisen Spott von ihren Brüdern, inzwischen bilden die Vegetarier in unserer Familie eine klare Mehrheit. Meine jüngste Tochter hat nie versucht, die anderen zu missionieren. Sie kommt sich auch nicht „besser“vor. Aber sie freut sich, wenn Geschwister und Freundinnen ihrem Beispiel folgen und erkennen, dassweniger mehr sein kann.
Auch wenn sie allein bliebe, würde sie sich von ihrem Weg niemals abbringen lassen. Denn sie ist überzeugt davon, dass die Welt nur so zu retten ist.
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160 Seiten, 16,90 Euro