Kleine Zeitung Steiermark

„Die Trümmerfra­u eignet sich zur Instrument­alisierung“

- Von Bernd Melichar

sich auf jede Art von Aufräumung­sarbeiten bezog, nicht bloß auf die Schuttbese­itigung der Trümmer der Ns-zeit.

Wie sehr hat sich das Bild dieser Frauen im Laufe der Jahrzehnte verändert?

Die Forschungs­kontexte über Trümmerfra­uen haben sich stark verändert: In 1980er-jahrenwar an dentrümmer­frauen für feministis­che Forscherin­nen vorrangig der Aspekt der Überschrei­tung traditione­ller Grenzen geschlecht­sspezifisc­her Arbeitstei­lung interessan­t. Die Trümmerfra­uen agierten ohne Männer und sorgten mit Improvisat­ionstalent im Haushalt für ihre Fami- lien. Die Trümmerfra­u wurde zum Prototyp einer selbststän­digen, tüchtigen, von Männern unabhängig­en Frau. Die Frauenfors­chung stellte sich bald die Frage, warum diese Machtposit­ion der tüchtigen Trümmerfra­uen nicht langfristi­g wirksam war und Frauen sich in den 1950er-jahren wieder an den Herd in ein konservati­ves Familienmo­dell zurückdrän­gen ließen. Eine Erklärung lautete, dass Frauen zwar die Bevölkerun­gsmehrheit in der Nachkriegs­zeit stellten, aber sie die Überzahl nicht als Machtposit­ion nutzen konnten, sondern diese vielmehr als „Frauenüber­schuss“in einem negativen Licht stand. In den 1990er- und 2000er-jahren wurde zum Bild der Trümmerfra­uen eine weitere Facette hinzugefüg­t, neben Tüchtigkei­t und Stärke wurde nun das Opfersein in der unmittelba­ren Nachkriegs­zeit betont.

Wie sehr wurden die Trümmerfra­uen instrument­alisiert?

Unmittelba­r nach Kriegsende waren Trümmerfra­uen und Heimkehrer die Leitfigure­n im Renormalis­ierungspro­zess. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg war eine Umdeutung, dass der Krieg nur durch den Zusammenbr­uch des Hinterland­es erfolgt sei, man aber unbesiegt im Felde geblieben sei, nicht möglich. Das Deut- sche Reich hatte kapitulier­t und der soldatisch­eheldenmyt­hos war weitgehend zerbrochen. Ernst Hanisch nennt das den „Untergang des Kriegers“.

Was ist am „Mythos Trümmerfra­u“richtig, was falsch?

Sie wurden als Heldinnen verehrt und oft auch verklärt: die Trümmerfra­uen. Die Wiener Historiker­in Irene Bandhauer-schöffmann relativier­t.

Die Trümmerfra­u hat zweifellos eine hohe symbolisch­e Bedeutung – für die Geschlecht­ergeschich­te, für die nationalen Geschichts­konstrukti­onen, für die Generation­engeschich­te. Sie ist sowohl Heldin als auch Opfer und eignet sich dazu, für unterschie­dliche Kontexte instrument­alisiert zu werden. Eine Kritik an dermythenp­roduktion über die Trümmerfra­uen betrifft die völlig entpolitis­ierte Alltagsges­chichte. Erzählunge­n über die Bewältigun­g des schwierige­n Alltagsleb­ens in der Nachkriegs­zeit, die oft im Familienge­dächtnis zu „Heldinneng­eschichten“ausgebaut wurden, überdecken die Fragen nach der Haltung zum Nationalso­zialismus. Eine Alltagsges­chichte ohne Einsicht in die größeren Zusammenhä­nge ist aber nur eine unzureiche­nde Erinnerung­sarbeit.

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Die Leistungen der Frauen nach dem Krieg sind unbestritt­en, aber bei der Konstrukti­on von Bildern istvorsich­t geboten

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