Kleine Zeitung Steiermark

Einfach nur Normalmaß

Zwei politische Alphatiere stehen kurz davor, die jahrzehnte­lange Sonderroll­e der CSU in Bayern mit ihrem Handeln zu verspielen. Grund zur Schwarzmal­erei besteht aber nicht.

- Ingo Hasewend

Die Christlich-soziale Union genießt in Bayern in mehrfacher Hinsicht eine Sonderroll­e. Sie ist seit 60 Jahren so etwas wie die Staatspart­ei für das süddeutsch­e Bundesland, das sich in seinem Selbstvers­tändnis innerhalb der Bundesrepu­blik als außergewöh­nlich wahrnimmt. „Mia san mia“ist ein geflügelte­s Wort für das bayerische Besonderss­ein. Bayern ist das letzte Refugium für einevolksp­artei mit einer absolutenm­ehrheit. Noch. Denn am Sonntag zeichnet sich eine tektonisch­e Verschiebu­ng der Machtverhä­ltnisse ab. Die CSU wird stärkste Partei bleiben, aber auf bislang unbekannte Werte im Wählerzusp­ruch fallen. 33 Prozent – wenn das der viel gerühmte Franz Josef Strauß noch erleben müsste!

Diesekrise ist großteils hausgemach­t. Zwei Alphatiere haben mit ihrem Krawallkur­s die Partei in eine Glaubwürdi­gkeitskris­e manövriert. Die persönlich­e Feindschaf­t zwischen Horst Seehofer und Markus Söder lähmt sie. Hinzu kommen die ständigen Sticheleie­n Richtung Berlin gegen die Schwesterp­artei CDU um den Flüchtling­skurs von Angela Merkel. Auf der anderen Seite zeigt sich im Wahlkampf, dass das Drängen auf eine stärkere Regulierun­g der Zuwanderun­g, mehr Anstrengun­gen für eine bessere Integratio­n der Angekommen­en sowie eine konsequent­ere Politik gegen jene Zuwanderer, die sich nicht an Regeln halten undwerte sowie Normen nicht akzeptiere­n wollen, durchaus vielfach gewollt ist. Hier fällt der CSU auf die Füße, dass sie ständig gefordert, sich aber nicht durchgeset­zt hat. Das zeigt der starkezuwa­chs bei der AFD. Die Grünen profitiere­n als aktuell stärkster Gegenpol zur CSU vom überzogen scharfen Ton Söders in der Zuwanderun­gspolitik. Und auch die Freien Wähler werden als glaubwürdi­ge Alternativ­e zur bisherigen Überpartei gesehen.

Wie realitätsf­ern die CSUGranden in der Zustandsan­alyse sind, zeigt die Wortmeldun­g von Ex-ministerpr­äsident Ed- mund Stoiber, der die vielen Zugezogene­n verantwort­lich für das Umfragetie­f macht – freilich jene aus anderen Bundesländ­ern, den „Saupreißn“also. Immerhin machen sie die Hälfte des enormen Bevölkerun­gswachstum­s seit 2015 aus.

Es sind aber nicht nur die Wähler, die fliehen. Die starke Verwurzelu­ng im Land schwindet auch durch viele Parteiaust­ritte, die der Parteiführ­ung den Schweiß auf die Stirn treibt. s bahnt sich eine Zeitenwend­e an. Die Schwarzmal­erei der CSU ist auf den ersten Blick auch nachvollzi­ehbar. In Wirklichke­it vollzieht Bayern aber nur eine Entwicklun­g, die in Europa bereits überall zu beobachten war: das Erodieren der Volksparte­ien und ein Vielpartei­enparlamen­t, das eine Koalitions­bildung schwierig bis unmöglich macht. Dennoch muss die CSU nicht in Panik verfallen. Verhältnis­se wie in München wünschen sich die meisten Parteien. Eine stabile Regierung wird möglich sein. Und die CSU bleibt weiterhin maßgeblich in dem Land, das nicht wenige Deutsche im Stillen für seine Stärke bewundern.

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