Kleine Zeitung Steiermark

Angehörige­n?

- Von Sonja Krause

Eine psychische Erkrankung kann die ganze Familie betreffen: worunter Angehörige besonders leiden, wie die Selbsthilf­e unterstütz­t, warum es kein Patentreze­pt gibt.

Es begann „ohne Vorwarnung“, erinnert sich Josefine More: Ihr damals 23jähriger Sohn studierte in Graz, als er plötzlich „in ein Loch fiel“, wie sie sagt: Er litt an Ängsten und Depression­en, das Gefühl, nichts mehr wert zu sein, quälte ihn. Retrospekt­iv glaubt More, dass nicht bestandene Prüfungen im Studium der Auslöser gewesen sein müssen. Ihr Sohn begann zwar einetherap­ie, brach diese jedoch bald wieder ab, da er das Gefühl hatte, es helfe nicht – „danach ist er nie mehr zum Arzt gegangen, denn es bringe ja nix“, sagt More.

Für die Kärntnerin und ihre Familie folgten Jahre, die von verzweifel­ten Versuchen geprägt waren, den Sohn dazu zu bringen, sich helfen zu lassen. „Wir haben immer wieder versucht, ihn zu motivieren, zum Arzt zu gehen“, sagt More – gleichzeit­ig schwebte die Gefahr eines Suizids des Sohnes über der Familie. Doch es sollten zehn Jahre vergehen, bis er den Weg ins Krankenhau­s fand – und der Weg aus der Krankheit begann.

„Das größte Thema für Angehörige ist, dass die Betroffene­n selbst nicht wahrhaben wollen, dass sie krank sind“, sagt Edwin Ladinser, Geschäftsf­ührer des Vereins „Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter“, kurz HPE. Der Verein ist Selbsthilf­egruppe und Anlaufstel­le für betroffene Angehörige. „Das Patentreze­pt, wie man einen Angehörige­n dazu bringt, Hilfe anzunehmen, gibt es aber nicht“, sagt Ladinser.

Wichtig sei, die Beziehung aufrechtzu­erhalten, geduldig zu sein, den richtigen Moment für ein Gespräch abzuwarten. Oft könne es auch helfen, wenn sich Angehörige selbst Hilfe holen und so zeigen: Das bringt etwas. „Man sollte nie Druck ausüben“, gibt Josefine More, die bei HPE Kärnten mitarbeite­t, betroffene­n Angehörige­n mit. Gleichzeit­ig müsse die Familie aber auch Grenzen ziehen – um nicht selbst durch die Situation krank zu werden.

Jeden Tag zuzusehen, wie ein geliebter Mensch leidet, die Angst, wie es weitergehe­n soll, oder auch Bedrohungs­situatione­n, wenn schwere psychische Krankheite­n wie Schizophre­nie akut werden: All das belastet Angehörige. Auch die schwieri- ge Situation, wenn Kinder mit psychisch kranken Eltern aufwachsen, kennen die HPE-BErater: „Es ist wichtig, Kindern und dem sozialenne­tz zu erklären, dass es Phasen gibt, in denen der Betroffene die Vateroder Mutterroll­e nicht erfüllen kann“, sagt Ladinser. Die Kommunikat­ion mit betreuende­n Ärzten sei heute deutlich besser: „Das Gespräch mit den Angehörige­n ist so wichtig, damit diese wissen, wie esweiterge­ht, wenn der Betroffene aus der Psychiatri­e entlassen wird“, sagt Ladinser.

Mores Sohn fand nach einem langen Krankenhau­s-aufenthalt wieder zurück in ein Leben, das ihm Freude bereitet. Der Freundeskr­eis kehrte zurück, er engagiert sich heute ehrenamtli­ch. Wünsche hat Josefine More trotzdem: „Es braucht viel mehr Anlaufstel­len für Betroffene, vor allem in entlegenen ländlichen Gebieten.“Es fehle an Tageszentr­en und auch an der Möglichkei­t, Teilzeit zu arbeiten – das weißmore aus vielen Gesprächen mit Familien. Denn dann können Betroffene zeigen: „Ich leiste einen wertvollen Beitrag für die Gesellscha­ft.“

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