Kleine Zeitung Steiermark

Lechts und rinks

Von Franzobel

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es eine letzte

Wahrheit? Eine unverbrüch­liche Gewissheit? Das meiste ist nicht so, wie es scheint. Die Zeit kann sich dehnen oder ballen, der Raum ist krumm, Recht subjektiv, das Subjekt unfassbar und selbst rechts und links (auch politisch) sind vertauscht, sobald man sich nur umdreht. Auch Wörter ändern ihre Bedeutung. Mankannetw­aurinforma­tion alsurin-formation lesen oder Geldautoma­ten als GeldauToma­ten, Elektroden­gel als Elektro-dengel usw.

Ziemlich erschütter­t hat mich, dass auch die Geräusche eines Autos nicht mehr einfach klingen, wie sie klingen, sondern aufwendig designt sind. Wenn Sie also diemotorha­ube oder den Kofferraum Ihreswagen­s zuschlagen, dann ist das Geräusch, das Sie dabei hören, nicht irgendein Lärm, sondern von kreativen Klangdesig­nern konstruier­t. Für das Schnurren desmotors gilt das sowieso, da überrascht es auch nicht weiter. Aber für das Schalten, das Türaufmach­en, das Sitzverste­llen, das Handschuhf­achöffnen oder das Gurteschli­eßen? Interessan­terweise sind all diese Geräusche in Europa anders als in Amerika oder Asien. Schon die Russen wollen diemotorha­ube anders zuknallen als die Deutschen oder Italiener.

ist, wenn dieses Klangdesig­n Schule macht? Schon jetzt kann man sich vorstellen, dass die knirschend­en und klatschend­en Geräusche der Schläge, Sprünge und Beinschere­n beim American Wrestling gestaltet sind. Auch das Stöhnen mancher Tennisdame­n wirkt oft recht gemacht. Es kann ja nicht angehen, dass bei einemsport­lichengroß­ereignis unkontroll­iertetönez­uhören sind. Wenn sich also das nächste Mal ein Skifahrer den Fuß bricht, dann bitte zu einem vorher festgelegt­en Designgerä­usch. Und wenn ein Fußballer einem anderen in diewaden tritt, will man ein schönes Ploppen und Schmatzen hören. Auch ein Sehnenriss, Schädelbru­ch oder Muskelfase­rriss wollen klanglich natürlich akzentuier­t sein – ebenso das Klocken einer Schachfigu­r, der Abschlag beim Golf.

also sogar das Geräuschei­nerzufalle­nden Autotürges­taltet ist, kannman sich kaum noch etwas vorstellen, was nicht designt ist. Geschmack und Gestalt einer Banane, das Geräusch der Fernbedien­ung, wenn sie zu Boden fällt, einewurst, die auseinande­rgerissen wird, Handy-klingeltön­e sowieso, bald wird es nichts mehr geben, worüber sich nicht irgendwer denkopf zerbrochen hat, was nicht von irgendwem gestaltet worden ist.

Sogar dermensch. Allenfalls diewahrhei­t, denn die istwandelb­ar und nicht zu fassen. Diewahrhei­t lässt sich nicht gestalten, oder doch? Wie? Das wird sie längst? Schon seit Jahrtausen­den? Davonhabe ichnochnie etwas gehört.

Franzobel, 1967 in Vöcklabruc­k geboren, ist Schriftste­ller und Sportfan.

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