Für die Lebenden
Georgien ist das Gastland bei der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt. Der „Balkon Europas“ist geprägt von politischer Gewalt und einem reichen kulturellen Erbe.
Er hat Georgien nie verlassen. Und doch hat er, erzählt die Direktorin der Georgischen Nationalgalerie Eka Kiknadze, „ganz intuitiv an die europäischen Entwicklungen in der Kunst angedockt“. 100 Jahre nach seinem Tod hat sich nun die Blickrichtung umgekehrt, entdeckt Europa den georgischen Maler Niko Pirosmani (1862–1918), einen Autodidakten, dessen naiv anmutende Bilder vonwildtieren und rustikalem Alltag ihn mittlerweile alswegbereiter der russischen Avantgarde ausweisen. Am 26. Oktober eröff eröff
net in der Wie Wie- ner Albertina eine große Retrospektive des Künstlers, danach wandert die Ausstellung weiter in die Van-gogh-stiftung im französischen Arles.
Pirosmani ist nur ein Kulminationspunkt in Europas aktuellem Interesse an Georgien. Der georgischen Architektur etwa ist seit Mittwoch eine Ausstellung im Wiener Ringturm gewidmet, der nationalen Literatur verschaffte die Kür zum Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse einen enormen Aufmerksamkeitsschub. 180 Neuübersetzungen ins Deutsche gab es aus diesem Anlass und rund 70 Autoren reisten an, um vor den knapp 300.000 Besuchern der Messe ihr Land zu vertreten – „in seiner ganzen Brüchigkeit und seinen ganzen Widersprüchen“, so formulierte es StarAutorin Nino Haratischwili („Das achte Leben“, „Die Katze und der General“).
Dass es Georgiens Autoren in ihrem Land nicht unbedingt leicht haben, klingt in Haratischwilis Satz zumindest an: Romancier Zaza Burchuladze, der in Werken wie „Der aufblasbare Engel“Politik und Gesellschaft satirisch auf die Schaufel nahm, wurde 2014 von religiösen Extremisten bedrängt und auf der Straße zusammengeschlagen. Er lebt inzwischen in Berlin. Der Lyriker Zviad Ratiani („Requiem für