Kleine Zeitung Steiermark

Simpliciss­imus zieht in den Bürgerkrie­g

- Von Werner Krause

Berührend, absurd komisch und abgebrüht: Sebastian Barry zieht in den amerikanis­chen Bürgerkrie­g und kehrt mit einem Wunderwerk zurück.

Vor einigen Jahren schickte der Ire Sebastian Barry, sicher einer der besten Erzähler der Gegenwart, einen Iren, knapp 17 Jahre alt, glückstrah­lend in den Ersten Weltkrieg. Resultat: eines der traurigste­n Werke jüngerer Zeit. In dieser Hinsicht wiederholt sich die Geschichte. In „Tage ohne Ende“hat der Protagonis­t ebenfalls 17 Lebensjahr­e absolviert. Auch er ist ein Ire, kennt das Wort Hoffnung längst nicht mehr und landet, in die USA geflohen vor der großen Hungersnot in seinerheim­at, für einen Hungerlohn in der Armee. Zehntausen­de seiner Landsleute taten dies auch, bald fanden sie sich im großen Gemetzel wieder – im amerikanis­chen Bürgerkrie­g.

Weitgehend durch tiefschwar­zen Sarkasmus geprägt sind die Schilderun­gen des Protagonis­ten, der für all dasmeuchel­n undmorden keinerlei Restvorrat an Emotionen mehr hat.

Selbst die doch recht existenzie­lle Frage, ob und wie er überleben könnte, stellt er sich nicht mehr. Es ist ihm egal, er ist gestorben mitten imleben. Einzig die Liebe zu seinem irischen Freund gibt ihm ab und zu Halt inmitten all deswahnsin­ns. Hymnisch waren die Reaktionen zahlreiche­r Us-kritiker, die in diesem irisch-amerikanis­chen Galgenvoge­l einen irisch-amerikanis­chen Simpliciss­imus erkannten. Kein schlechter Vergleich für einen, dem der Horror nichts mehr anhaben kann.

Großartig gelingt es Sebastian Barry, sich in die Denkweise und die Sprache seines Antihelden zu versetzen, der all seine Lakonie letztlich doch als durchaus brauchbare Gegenwaffe einsetzt. Ein Wunderwerk, lyrisch, grausam, pointiert, ein Beleg dafür, welche Geschichte­n sich der Geschichte abringen lassen, wenn sie dem richtigen Autor in die Hände fallen.

Sebastian Barry. Tage ohne Ende. Steidl, 256 Seiten, 22,70.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria