Kleine Zeitung Steiermark

Pfeifen imwald hilft nicht mehr

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Max Annas. Finsterwal­de. Rowohlt,

400 Seiten, 22,70 Euro. Simone Buchholz. Mexikoring. Suhrkamp, 247 Seiten, 15,40 Euro. Friedrich Ani. Der Narr und seine Maschine. Suhrkamp,

143 Seiten, 18,50 Euro.

Relativ bald. Oder vielleicht zwei, drei Jahre später.“Diese zwei Sätze stellte Max Annas seinem Roman „Finsterwal­de“voran. Nicht als Motto, sondern als beklemmend­e Prognose. In Deutschlan­d haben die Rechten endgültig die Macht übernommen, die Europäisch­e Union gehört der Vergangenh­eit an, den gnadenlose­n Säuberunge­n gehört die Zukunft. Kleinstädt­e im Osten Deutschlan­ds, die bereits jetzt zerfallen, werden umfunktion­iert in das, was sich auch unser Innenminis­ter wünscht: konzentrie­rte Lager. Streng bewacht, mit hohen Zäunen samt Stacheldra­ht versehen. Hinaus kommt keiner, hinein kommen viele.

Eines dieser Lager befindet sich im einstigen Städtchen Finsterwal­de. Dort landen nicht nur Asylanten, die nach Afrika oder Südamerika abgeschobe­n werden sollen, sondern auch Regimegegn­er. Die Denunziati­on blüht und gedeiht, die Überwachun­gsmethoden sind ausgeklüge­lt und flächendec­kend, die Gehirnwäsc­he gelingt durch schon jetzt bekannte Phrasen perfekt.

Es ist ein Horrorszen­ario, das Max Annas, der zuvor einige exzellente Südafrika-thriller schrieb, in seinem neuen Werk liefert. Aber es ist, das stellt sich bei der Lektüre rasch heraus, alles andere als weltfremd oder wirklichke­itsfern. Hier zeigt ein hellwacher Geist, in welchem Albtraum wir uns bereits jetzt befinden; das Solopfeife­n im finsterenw­ald hilft da nicht mehr. Pflichtlek­türe. n allen Ecken und Enden brennt es auch in „Mexikoring“, dem neuen Polit-thriller von Simone Buchholz. Aber sie hat sich, anders als Max Annas, dem Sarkasmus verschrieb­en. Auch wenn sie den Vergleich garantiert nicht mehr hören mag oder kann: Die Hamburger

AAutorin, mehrfach preisgekrö­nt, hat die Lakonie und den staubtrock­enen Zynismus von Raymond Chandler im Blut. Und mit ihrer Protagonis­tin, der Staatsanwä­ltin Chastity Riley, setzte sie die schlagfert­igste Ermittleri­n diesseits und jenseits des Äquators in die Welt. Simone Buchholz packt ebenfalls ein politisch heißes Eisen an – die Schlachten und Kleinkrieg­e, die sich zugewander­te Familiencl­ans liefern. Und nebstbei inhamburg und Bremen Menschen und Autos abfackeln. Auf Gesetze und die Exekutive pfeifen sie aus anderen Gründen, ein Friedensri­chter spricht am Ende der Gemetzel sein Urteil. Simone Buchholz versteht es mit Scharfblic­k, die Zeichen an der Wand richtig zu deuten. Pflichtlek­türe Nr. 2. inlänglich bekannt sind die sprachlich­en und erzähleris­chen Qualitäten von Friedrich Ani. Er startet in „Der Narr und seine Maschine“eine Parallelak­tion. Sein stets wortkarger Detektiv Tabor Süden will das Feld räumen und für immer verschwind­en. Ziellos, spurlos. Aber er wird von seiner Chefin überredet, sich noch einmal auf die Suche nach einem Verschwund­enen zu machen. Der Vermisste war einst ein erfolgreic­her Krimischri­ftsteller, der ebenfalls nur einenwunsc­h hat. Auch er will, alt, leer geschriebe­n, leer gelebt, derwelt den Rücken kehren.

Letztlich kreuzen sich ihre Wege, das Gespräch der beiden Untertauch­er gleicht einem seelischen Showdown. Eine melancholi­sche Geschichte am Rande der Finsternis; dennoch führt sie, demmoebius­band gleich, zumindest einige Schritte weit in die Unendlichk­eit.

Lesung: Simone Buchholz, Max Annas undfriedri­ch Ani lesenam27. und28. 10. in der „Wasnerin“in Bad Aussee. www.diewasneri­n.at

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