Wegenmarlon „ bin ich ich“
ENeun Jahre lang war Marian Grau der kleine Bruder des schwerbehinderten Marlon. In seinem Buch „Bruderherz“beschreibt er, wie es ist, in einer „besonderen“Familie aufzuwachsen, beim Sterben des Bruders dabei zu sein und danach die große, weitewelt zu entdecken.
r ist gerade einmal 16 Jahre alt und spricht Sätze wie: „Man lernt, mit der Angst umzugehen, sie in etwas Positives umzuwandeln, in Dankbarkeit, für jeden Tag.“– „Ichwar in meiner Familie immer diezweite Geige, aber zweite Geige kann auch sehr schön klingen.“– „Es kommt nicht auf das an, was du kannst, sondern auf das, was du draus machst.“– „Was zählt, ist, dass man sein Leben mit den Menschen verbringt, die man liebt, dass man frei ist und auch die kleinen Dinge wertschätzt.“– „Alles geschieht aus einem Grund, jeder hat eine Aufgabe.“Und dann noch das: „Wegen Marlon bin ich ich.“
Marian ist zweifelsfrei etwas Besonderes. Und das liegt wohl (auch) daran, dass er aus einer ganz besonderen Familie kommt, wie auch Marians Mutter ihrem jüngeren Sohn schon immer zu sagen pflegte. „Wir verbrachten unserewochenendenweder im Freizeitpark noch im Zoo und machten auch keine anderen Ausflüge“, schildert er seine ersten neun Lebensjahre. „Wir empfingen meist Besuch und besuchten selten. Wir gingen nicht in Restaurants essen, undurlaub machten wir nur ein einziges Mal im Jahr. Das Reiseziel war dabei immer klar: das Kinderhospiz in Olpe nahe Köln.“
Bei Marians zweieinhalb Jahre älterem Bruder Marlon wird im Alter von fünf Monaten Morbus Leigh diagnostiziert, eine extrem seltene und lebensverkürzende Stoffwechsel- krankheit. Die Ärzte geben ihm gerade einmal zwei Jahre. Der Junge wird 12, allerdings ohne jemals sprechen, gehen oder essen zu können wie ein „normales“Kind. Der Alltag der Familie ordnet sich den Bedürfnissen des schwer kranken Buben unter. Dennoch sagt Marian heute: „Ich habe niemals etwas vermisst, ich kannte ja auch gar nichts anderes, für mich war das völlig okay.“Eine Last war ihm der Bruder nie. Im Gegenteil: „Mein Bruder war anders als alle anderen, und das wusste ich. Jeder meiner Freunde hatte ein Geschwisterkind zum Spiele, Lachen und Kuscheln, zum Lernen und Austauschen von Gedanken. Aber nur, weil Marlon nicht so war wie die anderen und auch so anders als ich selbst, hieß das nicht, dass wir uns nicht verbunden fühlen. Ich habe meinen Bruder wahrscheinlich noch mehr geliebt als alle anderen und das tue ich heute noch.“
Familie, das ist etwas, das bei den Graus, trotz aller Brüche, die das Leben so bringt, offensichtlich immer heil geblieben ist. Marians Eltern waren nie verheiratet und haben sich 2005 getrennt, wie man so schön sagt. „Davon habe ich allerdings nicht wirklich etwas mitbekommen“, erzählt Marian. „Mein Vater zog einfach zwei Straßen weiter undwar nach wie vor immer für uns da.“Sein Leben sei durch die Trennung seiner Eltern nicht schlechter geworden. „Das liegt sicher an Marlon und unserer Geschichte – die hat uns zusammengeschweißt, und