Kleine Zeitung Steiermark

Grüne Realos im Aufwind

In Österreich haben die Grünen ihre beste Zeit vorerst hinter sich, in Deutschlan­d vor sich – wegen der Erosion der Volksparte­ien. Und weil die Realos das Sagen haben.

-

Die Erosion der Volksparte­ien schreitet munter voran und hat auch Bayern erreicht. Amsonntagw­urde die altehrwürd­ige CSU zurechtges­tutzt und zur Mittelpart­ei degradiert, die SPD wurde zertrümmer­t. Davon profitiert­en die Grünen, die in den Städten abräumten, die AFD, mit mäßigem Erfolg die Liberalen.

Natürlich spielen bayrische Besonderhe­iten eine Rolle. Dass diewahlver­lierer der Berliner Stillstand­skoalition angehören, sorgte für stürmische­n Gegenwind. Der Versuch, sich von der Kanzlerin in der Migrations­frage abzugrenze­n, mündete in einen Selbstzers­törungstri­p des Csu-innenminis­ters. In der SPD mehren sich die Stimmen, die in Berlin den Gang in die Opposition präferiere­n – in der Überzeugun­g, dass man als Regierungs­partei nur verlieren kann.

Ähnliche Erfahrunge­n haben altgedient­evolkspart­eien in anderen Eu-ländern längst gemacht. In Frankreich, Italien, Griechenla­nd, den Niederland­en existieren die gemäßigten Kräfte links und rechts der Mitte nur noch auf dem Papier. Stattdesse­n regieren Politiker, die mit dem traditione­llen Gefüge gebrochen haben.

Die Volatilitä­t der Wählerscha­ft geht mit der Volatilitä­t der Lebensentw­ürfe einher. Bei der Nationalra­tswahl kreuzten 36 Prozent eine andere Partei an als 2013. Jeder zweite Wähler erwog Wochen vor der Wahl den Wechsel zu einer anderen Partei. Von der Wiege bis zur Bahre, der Anspruch der Volksparte­ien verfängt nicht mehr. In einer globalisie­rten Welt können vollmundig­e Verspreche­n nicht mehr eingelöst werden. Geraten Volksparte­ien unter Druck, verengen sie sich inhaltlich, alles wird der Parteilogi­k untergeord­net – eine verhängnis­volle Spirale nach unten.

Der Erfolg der bayrischen Grünen geht mit einer gegengleic­hen Entwicklun­g in Österreich einher. Hierzuland­e haben die Grünen ihre beste Zeit hinter sich. Die Parteistra­tegen Lothar Lockl und Stefan Wall- ner hatten die Grünen aus ihrer Öko-ecke herausgeho­lt und im urban-bürgerlich­en Umfeld als Bewegung der Besserverd­ienenden mit gesellscha­ftspolitis­chem Gewissen positionie­rt. Vor Kurzem noch regierten sie in fünf Bundesländ­ern mit, in Salzburg übersprang man die 20 Prozent. Bei der Nationalra­tswahl 2013waren die Grünen in Graz die Nummer eins, Van der Bellen machte in der Stichwahl in 21 der 25 größten Städten das Rennen. Die deutschen Grünen schauten damals neidvoll nach Österreich – ehe sich die österreich­ischen Grünen in einerwohl beispiello­sen Aktion selbst zerstörten. (Von der Implosion profitiert­en bei der Wahl Kern und die SPÖ.) ie deutschen Grünen sind schon länger im Aufwind. In Baden-württember­g koaliert Kretschman­n mit der Autoindust­rie, der Chef der deutschen Grünen rüttelt am Gentechnik-tabu. Der grüne Realoflüge­l hat sich jenseits des Inns im urbanen Umfeld als attraktive Alternativ­e zu den verzopften Altparteie­n, die in alten Denkmuster­n verharren und keine Regenerati­onskraft mehr besitzen, etabliert.

DPRESSESCH­AU ZUR BAYERN-WAHL

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria