Ein Ende in Würde
Ein neues Gesetz soll Schmerzbekämpfungamende des Lebens ermöglichen, ohne dass Ärzte dafür Bestrafung riskieren – ein überfälliger gesetzlicher Nachholprozess.
Johannes Paul II. ist einen qualvollen Tod gestorben. Die letzten Wochen seines Lebens schleppte er sich noch jeden Sonntag ans Fenster seiner Gemächer im Apostolischen Palast und sprach kaum verständlich ein paar Grußworte an die unten wartende Menge. Bei seinem letzten Auftritt versagte ihm mitten im Satz die Stimme.
Als dieser Papst, der sein Amt bis zuletzt auszuüben entschlossenwar, von den Grenzen der Medizin sprach, war ihm höchste Aufmerksamkeit sicher. Würde er die schützenden Mauern, die die Kirche seit je um das Leben von Menschen gelegt hat, noch erhöhen? Würde er die Pflicht der Ärzte, bis zum letzten Atemzug alles zur Verlängerung des Lebens zu tun, betonen?
Johannes Paul II. entschied anders. Er, der die schärfsten Worte gegen die „Kultur destodes“formuliert hatte, ging ins Gericht mit der Idee, das Leben von Patientenumjeden Preis zu verlängern, selbst um den Preis ihrer Würde. „Accanimento terapeutico“nannte er das, einen „verbissenen Einsatz der Medizin“. So aufgeregt Italiens Me- dien auf den Satz auch reagierten, so alt war die Idee damals schon. Paul VI., der Vorvorgänger des Papstes aus Polen, hatte das Wort schon verwendet als Negativfolie, vor der die Kirche den Schutz des Lebens sieht.
So war es nicht verwunderlich, dass die Ankündigung eines neuen Ärztegesetzes, das diesen Graubereich zwischen Leben und Tod in Österreich neu regeln soll, auf keine Proteste stieß. Außerdem hatte die Wirklichkeit längst vorweggenommen, was der Gesetzgeber nun beschließen will. Das neue Ärztegesetz deckt ausdrücklich, was schon bisher gängige Praxis war. Es erhöht aber die Rechtssicherheit für die Ärzte.
Die dürfen „zur Linderung schwerster Schmerzen und Qualen“das Risiko einer „Beschleunigung des Verlusts vitaler Lebensfunktionen“eingehen. Es gehe schließlich darum, so der Gesetzgeber, den Patien- ten „unter Wahrung ihrer Würde beizustehen“. Im Fall von Sterbenden kann die Wahrung der Würde auch den Einsatz von Medikamenten bedeuten, die möglicherweise die Lebenserwartung verringern.
In der Praxis von Palliativstationen in Krankenhäusern oder in Hospizen muss das Gesetz als Erleichterung aufgenommen werden. Es definiert den Ermessensspielraum von Ärzten in angemessener Weise, ohne doch Euthanasie zu legalisieren. en Graubereich abschaffen kann natürlich kein Gesetz. Es schafft aber eine gesetzlich geschützte Zone, innerhalb derer jeder Arzt nach bestem Wissen und Gewissen handeln darf. Schon bisher musste er in jedem einzelnen Fall abwägen, wie seinem Patientenambesten geholfen werden kann. Nun kann er das tun, ohne befürchten zu müssen, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen. Das erklärt die positiven Reaktionen der Betroffenen. Sie haben lange nach einer solchen Regelung verlangt, nun soll sie endlich kommen. Ein überfälliger legistischer Nachholprozess.
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