Technisches und Privates
Falsche Paradiese und das kollektivewurschtigkeitsgefühl. Soundskulpturen und Arbeiten über Architekturen: Das ist die Bandbreite von vier aktuellen Ausstellungen in Graz.
Vonwenzel Mracˇek und Katrin Fischer
esc medien kunst labor
Als Komponistin und bildende Künstlerin bezeichnet sich die Britin Kathy Hinde. Zufall und „offene Partituren“sind bei ihr oft Parameter in Klangskulpturen, wie sie derzeit das esc medien kunst labor zeigt. „Phase Transition“ist eine Anordnung, in der Eis durch die Wärme von Lichtquellen schmilzt, deren Intensität durch Daten zur Berechnung des Klimawandels bestimmt wird. Der verstärkte Klang des abtropfenden Wassers verbindet sich mit Soundelementen, die vonvinylplatten stammen, deren Drehgeschwindigkeit wiederum abhängig ist von Intervallen der fallenden Tropfen.
Eine zweite Installation, die Hinde mit ihrem schwedischen Kollegen Daniel Skoglund entwickelt hat, trägt den Titel „Palimpsest“. Mit Grafitstift angelegte Zeichnungen leiten Strom. Mehrere mit Kontaktelementen ausgestattete, spinnenartige Roboter bewegen sich auf zufälligenwegen über die Grafitbahnen und erzeugen Klänge entsprechend der gezeichneten Partitur. Mittels dezenter Mechanik bewegen aus Papier gefaltete Vögel ihre Schwingen und fliegen scheinbar durch Weltraumkulissen. „In Flight“ist eine Parabel auf bestehende und künftige Technologien, durch die Lebewesen zu biolo-
gisch-kybernetischen men mutieren.
Künstlerhaus
Organis- 1995 konnte man sich im Grazer Künstlerhaus in Jeffrey Shaws interaktiver Installation scheinbar durch virtuelle Städte bewegen. 23 Jahre später, in der nun von Kurator Jürgen Dehm eingerichteten Schau „Artificial Paradise?“, mutet Shaws frühes, rechnerbasiertes Werk nachgerade rudimentär an. MittelsvrBrille findet man sich jetzt in Manuel Roßners „Du musst dein Leben ändern“in einem digitalisierten, dreidimensionalen Künstlerhaus und stößt in virtualisierten Räumen auf farbintensive Plastiken.
Im Klischee eines touristischen Paradieses mit Palmen und Strand befindet man sich – ebenfalls mit Vr-brille – in „Primal Tourism“von Jakob Kudsk Steensen. Abermals mit Brille sieht man drei mehr als lebensgroße Avatare scheinbar aus nächster Nähe und muss sich wohl entscheiden, ob diese Begegnung eine freundliche sein mag. Den durchwegs virtuellen Landschaften und Räumen steht vergleichend eine „Ideale Landschaft mit untergehender Sonne“von Johann Kniep aus dem Jahr 1806 gegenüber. Ein beispielhafterverweis auf dieselbe Intention über die Jahrhunderte.
Kunstverein
STEENSEN Dennismcnulty aus Irland und Anne Tallentire aus Nordirland thematisieren mit ihren plastischen, computerbasierten Arbeiten diverse Infrastrukturen beziehungsweise systemische Elemente aus dem Bereich Ar- Über Flucht: Oto Hudec: „Long, long road“im <rotor> chitektur. Eine skulpturale Reihe Mcnultys besteht in Teilen aus adaptierter Hard- und Software, wie in der Installation „Pebbles“: Kalksteine aus dem Steinbruch der Grazer Kanzel in Verbindung mit einem algorithmisch generierten Videoloop. Eine Art Destillation des