Nachts, wenn diewölfe kommen
Südtirol wählt am Sonntag einen neuen Landtag. Das Land unter dem Brenner gilt als Vorbild für die Lösung ethnischer Konflikte in Europa. Doch die Debatte um den Doppelpass lässt alte Wunden aufbrechen.
gebrochen. Und da steht er jetzt mitten im Getümmel, ein Bär von einem Mann, zwischen schnaubendem Grauvieh aus dem Pustertal, bockigen Kälbern aus Abtei und milchstrotzenden Mutterkühen aus dem Vinschgau. „Sessanta, sechzig, settanta, siebzig, ottanta, achtzig“, schallt es aus den Laut- sprechern in der Versteigerungshalle. Zweisprachigkeit als gelebte Normalität. Viele Händler sind aus dem Trentino und bieten eifrig mit, während Pfeifer draußen vor der Tür darüber sinniert, ob er das Vieh nächstes Jahr wieder auf die Alm treiben soll oder es wegen der Wolfsgefahr bleiben lässt.
Seit Monaten erhitzen die räuberischen Vierbeiner südlich des Brenners die Gemüter. Erst Anfang September haben sie wieder zugeschlagen und auf der Plose bei Brixen ein halbes Dutzend Schafe gerissen. Untätigkeit werfen die Almbesitzer dem Land vor, aber Bozen sind die Hände gebunden, da man in Brüssel und Romvon einer Aufweichung des Wolfsschutzes nichts wissen will. Für die Süd-tiroler Freiheit ist das in einemwahlkampf, der bisher träge dahindümpelte, ein gefundenes Fressen. „Der Wolf hat keinen Platz in unserem Land“, fordert die rechte Kleinpartei. ber wären es doch nur die Wölfe, die die Menschen in Unruhe versetzen! Größere und gefräßigere Raubtiere auf zwei Beinen streifen in diesen Tagen durchs Land. Und die Ängste, die sie schüren, haben nicht nur das
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