Die neue Pflicht zur Solidarität
Beim Brexit setzt Europa auf Zeit, bei der Migration auf Solidarität. Beides steht auf tönernen Füßen.
Mehr Spielraum, mehr Luft zum Atmen – darum geht es jetzt im Finale der Brexit-verhandlungen. Die Staats- und Regierungschefs wurden am Rande des Eu-gipfels in Brüssel nicht müde, Optimismus zu verbreiten. Ratspräsident Donald Tusk hat „das Gefühl, dass wir einer endgültigen Lösung näher gekommen sind“, Angela Merkel zitierte „Wo ein Wille, da ein Weg“und Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht eine Lösung wenn „nicht in Tagen, dann in Monaten“. Er sprach damit eine mögliche Verlängerung der Übergangsphase an, die immer wieder aufgeworfen wurde. Sie würde „mehr Spielraum“geben, wie Kommissionschef Jean-claude Juncker sagte. Um einen Ausstiegsvertrag – wie auch immer der ausschauen mag – kommt man aber nicht herum. Zuversichtlich reiste auchtheresamay nach London zurück: Es werde einen „guten Deal“geben.
Doch gestern, am zweiten Tag des Treffens, drehte sich die Debatte einmal mehr um Migration. Dort ist zwar keine maßgebliche, aber doch eine spürbare Veränderung bemerkbar. Niemand spricht mehr von „Ausschiffungsplattformen“, stattdessen will man die Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Ländern – oft genannt werden Ägypten und Marokko – intensi- vieren. Vorbild ist die Türkei. Ägypten etwa sollte vor der afrikanischen Küste Flüchtlinge retten und dann nach Ägypten bringen, um so das Schleppermodell endgültig zu zerstören. Manräumt inzwischen zwar ein, dass der Flüchtlingsstrom im Vergleich zu 2015 um 95 Prozent zurückgegangen sei, aber der Ansatz für eine Lösung des Problems müsse außerhalb Europas