Pokern, Bluffen, Kaffeesudlesen
Us-sicherheitsberater Bolton verhandelt in Moskau, heute soll er Putin treffen. Es wird um Trumps Ankündigung gehen, denwashingtoner Vertrag von 1987 zu kündigen.
Donald Trumps Verzicht auf daswashingtoner Abkommen von 1987 zeuge von wenig Verstand, sagt der sowjetische Ex-präsident Michail Gorbatschow. Er hatte den Inf-vertrag vor 31 Jahren gemeinsam mit Ronald Reagan unterzeichnet. „Washingtons Drang, die Abrüstungspolitik zurückzudrehen, darf niemand unterstützen, das muss jetzt nicht nur Russland klarmachen, sondern jeder, demder Frieden teuer ist.“Moskau reagiert empört auf Trumps Ankündigung, die Us-regierung wolle den Vertrag kündigen – überrascht wirkt man nicht. Kreml-sprecher Dmitri Peskow erklärt, solcherlei Schritte machten die Welt gefährlicher. Außenminister Sergei Lawrow bezeichnet die Ankündigung als reine Absicht, eine Entscheidung des Präsidenten habe er nicht gesehen. „Jetzt im Kaffeesud zu lesen, ist wenig produktiv.“Die russische Seite wolle auf die offiziellen Erklärungen warten. Es ist ein Hinweis auf den laufenden Besuch des Us-sicherheitsberaters John Bolton in Moskau. Bolton verhandelte unter anderem mit dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates Nikolai Patruschew. Heute will er die Führung des Außenministeriums treffen und später auch Wladimir Putin.
Der russische Präsident hatte schon vergangene Woche zu verstehen gegeben, Russland sei für alle Fälle gewappnet. „Wenn unsere amerikanischen Partner denwunsch hegen, das Abkommen zu verlassen, wird unsere Antwort momentan und spiegelbildlich sein.“
Beobachter in Moskau vermuten, Trump bluffe mit dem angekündigten Ausstieg oder pokere zumindest. Die Zeitung „Kommersant“zitiert „militä- risch-diplomatische Quellen“, die vermuten, Trump wolle mit seiner Ankündigung den Einsatz in die Höhe treiben, danach aber würden die USA doch verhandeln. „Die Amerikaner müssen Rücksicht auf ihre europäischen Verbündeten nehmen, denn ebendiese würden ins Visier russischer Kurz- und Mittelstreckenraketen geraten.“
Die Nachrichtenagentur RIA Novosti zitiert den Sankt Petersburger Politologen Alexander Kubyschkin, Trump steige aus dem Vertrag aus, um sofort Verhandlungen über ein neues, für die USA vorteilhafteres Abkommen zu beginnen.
Viktor Litowkin aus Moskau hingegen sagt, Trump wolle den Vertrag wirklich kippen: „Er hat der heimischen Rüstungsindustrie mehr Aufträge versprochen. Und er will ein neues Wettrüsten mit Russland, in der Hoffnung, dass es dabei wie einst die Sowjetunion wirtschaftlich zusammenbricht.“Schließlich würden ja die Mittelstreckenraketen, die Russland als Antwort stationieren müsse, auf Europa zielen. „Damit will Trump das Verhältnis zwischen den europäischen Ländern undrussland weiter verschlechtern.“
Das Abkommen untersagt Russen und Amerikanern, landgestützte Atomraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern aufzustellen. Es führte zur Verschrottung von 846 amerikanischen und 1846 sowjetischen Atomraketen.
Seit Jahren werfen sich beide Seiten vor, den Vertrag zu brechen. Die USA meldeten 2014 russische Tests neuer Mittelstreckenraketen. 2017 verkündeten sie, Russland habe bereits zwei Bataillone mit nuklearen Raketen ausgerüstet, deren Reichweite bei 2000 bis 2500 Kilometern liegt.
es gebe keine solchen Raketen. Seinerseits wirft der Kreml den Amerikanern vor, sie nutzten bei den Tests ihrer Anti-raketen-systeme verbotene Pershing-ii-flugkörper als Zielobjekte. Vor allem aber installieren Amerikaner laut Kreml für ihr Anti-raketenSchild in Rumänien und Polen Aegis-ashore-systeme mit Abschussrampen, von denen man seegestützte Tomahawk-raketen mit einer Reichweite bis 2500 Kilometer abfeuern könne. Nach Ansicht von Experten ist es für beide Seiten kein Problem mehr, Rampen für solche Raketen am Boden oder auf Lkws zu installieren. Oder taktische Raketen aufzurüsten, wie die Iskander-m-raketen, die 480 Kilometer weit fliegen können. „Dafür reicht ein größerer Treibstofftank“, sagt Litowkin.
Der Inf-vertrag habe regelmäßige gegenseitigekontrollen sichergestellt, sagt Litowkin. „Das Vertrauen zwischen beiden Seiten droht sich nun Richtung Nullpunkt zu bewegen.“