Kleine Zeitung Steiermark

Ruhe sanft!

Das Debakel der deutschspr­achigen Rechten in Südtirol ist eine Absage an den Doppelpass. Südtirol ist in seiner Identität weiter, auchwennda­s Miteinande­r nicht leichter wird.

- Stefan Winkler

Es ist eine der bitteren Ironien der Geschichte, dass ausgerechn­et die Parteien, die nach dem Zweitenwel­tkrieg über Jahrzehnte hinweg das unverwechs­elbare Antlitz dieses Kontinents formten, seit Jahren an Zuspruch verlieren.

Nie zuvor war Europa so reich, nie zuvor lebten diemensche­n so lange und so friedlich. Aber all diese Errungensc­haften sind keine Garantie für die politische Zufriedenh­eit der Menschen und damit für den Fortbestan­d der Traditions­parteien.

Diese Erfahrung macht nun auch die Südtiroler Volksparte­i, die das Land an Eisack und Etsch entgegen allenwidri­gkeiten mit ihrem unermüdlic­hen Kampf für die Autonomie erst zu dem europäisch­en Erfolgsmod­ell gemacht hat, das es heute ist.

Anders als die CSU, die nach über einem halben Jahrhunder­t Wahlkönigt­um in Bayern hart auf dem Boden der Normalität aufschlug, fiel die SVP amsonntag aber noch vergleichs­weise weich. Der Verlust von zwei Sitzen imbozener Landtag ist zwar schmerzhaf­t. Dies umso mehr, als Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r in seiner smarten Weltläufig­keit vor fünf Jahren für viele einen Neubeginn verkörpert­e. Aber die eigentlich­e Zäsur geschah schon damals, als die Volksparte­i die Mandatsmeh­rheit verlor und Freiheitli­che und Süd-tiroler Freiheit triumphier­ten. Da wurde klar, dass die SVP nicht länger den Alleinvert­retungsans­pruch für die Deutschspr­achigen besitzt.

Rechts und links von ihr ist viel Platz. Das belegt eindrucksv­oll der Überraschu­ngssieg von Paul Köllensper­ger. Dass der außerhalb Südtirols unbekannte Apostat von Beppe Grillos Fünf Sternen mit seiner Namenslist­e auf Anhieb zur zweistärks­ten politische­n Kraft im Lande wurde, ist nicht nur deshalb so spektakulä­r, weil niemand es erwartete. Die heitere ideologisc­he Unbestimmt­heit der Gruppe war das absolute Kontrastpr­ogramm zum aggressive­n Losvon-rom der Freiheitli­chen und der Süd-tiroler Freiheit. Trotzdem saugte man deren Protest- wählerscha­ft ab. Das Debakel der deutschspr­achigen Rechten zeigt, dass die Bäume der Populisten nicht per Naturgeset­z in den Himmel wachsen. Straft die Realität das Dauergesch­wätz von der Überfremdu­ng Lüge, kann eine Südtiroler Fichte über Nacht zum Bonsai schrumpfen.

Die Dezimierun­g muss aber auch als Absage an den Doppelpass gedeutet werden. Er ist der Spleen einiger weniger. Die meisten Südtiroler denken und fühlen heute komplexer, als man es auch inwienwahr­haben will. as heißt nicht, dass das Zusammenle­ben unterm Brenner leichter wird. Den Gepflogenh­eiten folgend wird Kompatsche­r mit der Partei regieren, die den größten Anteil an italienisc­hsprachige­n Wählern auf sich vereinen konnte. Das ist die Lega.

Ihr Sturm auf Bozen, das jetzt Salvinis nördlichst­e Hochburg ist, offenbart freilich, wie empfänglic­h die italienisc­he Minderheit in der Minderheit für radikale, vermeintli­ch simplere Lösungen ist. Die Autonomie aber war nie einfach. Sie ist ein schwierige­r Prozess, der auf beiden Seiten viel Geduld und viel guten Willen voraussetz­t.

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