Ruhe sanft!
Das Debakel der deutschsprachigen Rechten in Südtirol ist eine Absage an den Doppelpass. Südtirol ist in seiner Identität weiter, auchwenndas Miteinander nicht leichter wird.
Es ist eine der bitteren Ironien der Geschichte, dass ausgerechnet die Parteien, die nach dem Zweitenweltkrieg über Jahrzehnte hinweg das unverwechselbare Antlitz dieses Kontinents formten, seit Jahren an Zuspruch verlieren.
Nie zuvor war Europa so reich, nie zuvor lebten diemenschen so lange und so friedlich. Aber all diese Errungenschaften sind keine Garantie für die politische Zufriedenheit der Menschen und damit für den Fortbestand der Traditionsparteien.
Diese Erfahrung macht nun auch die Südtiroler Volkspartei, die das Land an Eisack und Etsch entgegen allenwidrigkeiten mit ihrem unermüdlichen Kampf für die Autonomie erst zu dem europäischen Erfolgsmodell gemacht hat, das es heute ist.
Anders als die CSU, die nach über einem halben Jahrhundert Wahlkönigtum in Bayern hart auf dem Boden der Normalität aufschlug, fiel die SVP amsonntag aber noch vergleichsweise weich. Der Verlust von zwei Sitzen imbozener Landtag ist zwar schmerzhaft. Dies umso mehr, als Landeshauptmann Arno Kompatscher in seiner smarten Weltläufigkeit vor fünf Jahren für viele einen Neubeginn verkörperte. Aber die eigentliche Zäsur geschah schon damals, als die Volkspartei die Mandatsmehrheit verlor und Freiheitliche und Süd-tiroler Freiheit triumphierten. Da wurde klar, dass die SVP nicht länger den Alleinvertretungsanspruch für die Deutschsprachigen besitzt.
Rechts und links von ihr ist viel Platz. Das belegt eindrucksvoll der Überraschungssieg von Paul Köllensperger. Dass der außerhalb Südtirols unbekannte Apostat von Beppe Grillos Fünf Sternen mit seiner Namensliste auf Anhieb zur zweistärksten politischen Kraft im Lande wurde, ist nicht nur deshalb so spektakulär, weil niemand es erwartete. Die heitere ideologische Unbestimmtheit der Gruppe war das absolute Kontrastprogramm zum aggressiven Losvon-rom der Freiheitlichen und der Süd-tiroler Freiheit. Trotzdem saugte man deren Protest- wählerschaft ab. Das Debakel der deutschsprachigen Rechten zeigt, dass die Bäume der Populisten nicht per Naturgesetz in den Himmel wachsen. Straft die Realität das Dauergeschwätz von der Überfremdung Lüge, kann eine Südtiroler Fichte über Nacht zum Bonsai schrumpfen.
Die Dezimierung muss aber auch als Absage an den Doppelpass gedeutet werden. Er ist der Spleen einiger weniger. Die meisten Südtiroler denken und fühlen heute komplexer, als man es auch inwienwahrhaben will. as heißt nicht, dass das Zusammenleben unterm Brenner leichter wird. Den Gepflogenheiten folgend wird Kompatscher mit der Partei regieren, die den größten Anteil an italienischsprachigen Wählern auf sich vereinen konnte. Das ist die Lega.
Ihr Sturm auf Bozen, das jetzt Salvinis nördlichste Hochburg ist, offenbart freilich, wie empfänglich die italienische Minderheit in der Minderheit für radikale, vermeintlich simplere Lösungen ist. Die Autonomie aber war nie einfach. Sie ist ein schwieriger Prozess, der auf beiden Seiten viel Geduld und viel guten Willen voraussetzt.
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