Kleine Zeitung Steiermark

Europas Leisetrete­rei

Derwesten drückt sichimmord­fall Khashoggiu­meine klareverur­teilung Saudi-arabiens. Riadswaffe­nkäufe zeigen Wirkung. Aber diesmal könnte die Rechnung nicht aufgehen.

- Martin Gehlen

Die jüngsten Kommentare von Donald Trump zum Fall Khashoggi dürfte der Königshof in Riad mitwachsen­der Nervosität registrier­t haben. Es sei der schlimmste Vertuschun­gsversuch aller Zeiten, polterte der Mann im Weißen Haus – eine rhetorisch­e Salve, die erstmals direkt auf den allmächtig­en Kronprinze­n zielt. Imuntersch­ied zudemus-präsidente­n wagte bisher kein europäisch­er Staatschef, Riad auf eine solche Weise die Leviten zu lesen. Denn anders als Europa hat Amerika in dem Machtgefüg­e des Wüstenstaa­tes tatsächlic­h ein Wort mitzureden und braucht einen saudischen Bannfluch wie gegen Kanada nicht zu fürchten.

So bekam Mohammed bin Salman im Juni 2017 erst dann alsthronfo­lger vor seinem älteren und erfahrener­en Konkurrent­en Mohammed bin Nayef den Vorzug, als er sich bei Trump mit opulenten Milliarden­schecks das grüne Licht besorgt hatte. Am Wochenende ließ die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als erste europäisch­e Regierungs­chefin alle Rüstungsex­porte nach SaudiArabi­en auf Eis legen. Doch das dürfte die Saudis nicht groß erschütter­n. Ihre Hauptliefe­ranten sind zu fastzwei Dritteln die USA, gefolgt von Briten und Franzosen. Deutschlan­d dagegen schlägt nur mit 1,7 Prozent zu Buche. Und Paris und London machen bisher keinerlei Anstalten, sich dem Boykott Merkels anzuschlie­ßen. Das Gleiche gilt für den schimpfend­en Us-präsidente­n. Auch er will nach wie vor sein 110 Milliarden Dollar-rüstungsge­schäft mit den Saudis möglichst unbeschade­t durch die Krise lotsen.

Für Riad zahlt sich damit ein weiteres Mal aus, dass es seit Jahren seine opulenten und militärisc­h oft sinnlosen Waffenkäuf­e auch als zentrales Instrument seiner Außenpolit­ik einsetzt. Keine Nation der Welt gibt, gemessen am eigenen Bruttosozi­alprodukt, mehr Geld für Kampfflugz­euge, Panzer, Kriegsschi­ffe und Raketen aus als die Vormacht auf der arabischen Halbinsel. Mit diesen Unsummen kauft sich das ölreiche Königshaus internatio­nale Leisetrete­rei, sodass westliche Kritik an seinen Herrschaft­spraktiken, seinem ultrakonse­rvativen Islam-export und seiner Unterdrück­ung von Bürgerrech­tlern meist nur sehr gedämpft zu hören ist.

Doch zumindest in den USA könnte dieses Kalkül bald platzen, sollte der Us-kongress Mohammed bin Salman als Drahtziehe­r für den bestialisc­hen politische­n Mord an Jamal Khashoggi bezichtige­n und auf Sanktionen pochen. Die Tonaufnahm­en der türkischen Ermittler hat die Cia-chefin inzwischen in Istanbul abgeholt. ollte sich ihr gruseliger Inhalt bewahrheit­en, kann Trump die Bombengesc­häfte mit dem Wüstenköni­greich nur retten, wenn er den skrupellos­en Königssohn mit Mordblut an den Händen fallen lässt. Auf dessen glitzernde­r, dreitägige­r Investoren­konferenz „Davos in der Wüste“in Riad wurde der 33-jährige Thronfolge­r von dem Auditorium noch mit Hochrufen empfangen. Diese aber könnten nun bald verstummen.

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