2000er-jahre
Ambeginn des Jahres 2000 wurde zum ersten Mal seit 1945 nicht der Kanzlerkandidat der mandatsstärksten Partei des Nationalrates Regierungschef, sondern der Kandidat der drittstärksten Partei. Und: Die (relativ) stärkste Partei ging in Opposition. Wolfgang Schüssel, der noch im Wahlkampf 1999 verkündet hatte, seine ÖVP würde – falls nur drittstärkste Kraft – in Opposition gehen, wurde Bundeskanzler; dank eines Übereinkommens mit der zweitstärksten Partei, der FPÖ.
Nach den Spielregeln eines parlamentarischen Systems ist eine Koalitionsbildung gegen denwillen der relativen Mehrheitspartei legitim – solange dies nicht dem Willen der Mehrheit des Nationalrats insgesamt widerspricht. Der Pakt zwischen Schüssel und Jörg Haider blieb im Rahmen der Verfassung. Er war aber imwiderspruch zu der seit 1945 geübten Gewohnheit, dass es an der relativen Mehrheitspartei liegt, über die konkrete Zusammensetzung der Regierung zu entscheiden.
Dass der Obmann einer Koalitionspartei zwar die Regierungsbildung seiner Partei ver- handelt, aber selbst nicht in die Regierung geht – auch das war neu: Haider wollte, aus Rücksicht auf die zu erwartende internationale Reaktion, Schüssel den Vortritt in das Kanzleramt lassen; aber Vizekanzler wollte er nichtwerden. Diese Funktion (und auch den Parteivorsitz) überließ er Susanne RiessPasser.
Und noch ein neuer Aspekt war mit der Regierungsbildung 2000 verbunden: Der Bundespräsident versuchte diese Regierung zu verhindern. Thomas Klestil testete die Möglichkeiten seines Amtes aus. Er ging bis an die Grenze der ihm real zustehenden Möglichkeiten. Er konnte einzelne Minister verhindern, die von der FPÖ für Regierungsämter vorgesehen waren. Aber stoppen konnte er den Zug in Richtung einer ÖVPFpö-regierung nicht, denn das wäre imwiderspruch zum parlamentarischen Charakter des Regierungssystems gestanden. as innenpolitische Neuland, das mit der Regierungsbildung 2000 betreten wurde, fand seine unmittelbare Entsprechung in einem außen- und europapolitischen Novum: Aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung der
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