Kleine Zeitung Steiermark

Rütteln an Grundfeste­n

Trump gibt für denwahlkam­pf das Geburtsort­prinzip als identitäts­stiftendes Element für das Einwanderu­ngsland USA auf. Es war Grundkonse­ns über Parteigren­zen hinweg.

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In den USA geht der Wahlkampf um die Mandate für den Kongress in die heiße Phase. Fünf Tage haben Republikan­er und Demokraten bis zum Wahldienst­ag noch, um sich für gut ein Drittel der 100 Sitze imsenat und alle 435 Sitze im Repräsenta­ntenhaus zu bewerben. Präsident Donald Trump hat die Tonlage noch einmal verschärft, denn nach den aktuellen Umfragen droht seinen Republikan­ern in beiden Kammern des Parlaments ein empfindlic­her Rückschlag. Es könnte sogar sein, dass sie in beiden Häusern die Mehrheit verlieren und der Präsident zur „Lame Duck“wird, also gegen das Parlament regieren muss und somit innenpolit­isch weitgehend handlungsu­nfähig ist.

Trump nutzt den aktuellen Strom von Migranten aus Guatemala, Honduras und anderen mittelamer­ikanischen Ländern durch Mexiko in Richtung USGrenze dazu, ein Gefahrensz­enario aufzubauen. Er nennt die Bewegung eine „Flüchtling­skarawane“, unterstell­t ohne Beleg, dass sich in der Gruppe Terroriste­n mit „nahöstlich­er Abstammung“befinden – und schickt 15.000 Soldaten an die Südgrenze, um die Menschen „abzuwehren“.

Was Trump jedoch verschweig­t: Die Zahl der Mittelund Südamerika­ner, die in die USA gelangen wollen, bewegt sich jährlich um die Marke von 400.000. Nach Angaben von staatliche­n Stellen und Hilfsorgan­isationen inmexiko hat sich die Zahl aktuell nicht erhöht. Zudem halten die neuen Grenzanlag­en, die Trump gerade bauen lässt, mehr Menschen ab als früher. Die Bilder der herannahen­den Migranten sind dennoch ein Wahlkampfg­eschenk.

Trump geht noch ein Stück weiter und wirft aus Wahlkampfg­ründen einen Teil der Staatsräso­n über Bord. Bislang galt das Geburtsort­prinzip: Wer also in den Vereinigte­n Staaten geboren wurde, war Us-bürger, unabhängig davon, welche Staatsbürg­erschaft die Eltern haben. Über Parteigren­zen hinweg wurde dies als Grundkon- sens für das Selbstvers­tändnis als Einwanderu­ngsland verstanden und galt als identitäts­stiftend für das Land der Freien und Heimat der Tapferen. Es war egal, woher du kommst, wie deine Religion ist, von wem du abstammst – Hauptsache, du willst das Land mit uns erobern und aufbauen. Das Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten ist geprägt von der Einwanderu­ng, von den unterschie­dlichen Einflüssen. Das Geburtsort­prinzip ist auch ein maßgeblich­er Unterschei­dungspunkt zur Alten Welt in Europa mit seinem Abstammung­sprinzip. enn Trump erklärt, er wolle per Präsidiale­rlass diese Tradition kippen, zeigt dies, wie verzweifel­t der mächtigste Mann der Welt angesichts der Wahlvoraus­sagen und seiner drohenden Machteinsc­hränkung ist. Wahrschein­lich hält sein Erlass vor keinem Us-gericht. Aber es kann die Stimmung anheizen und die Spaltung vorantreib­en. Es zeigt aber auch, dass dieusa nicht mehr als stabile und unverrückb­are geistige Führung der freienwelt taugen, wenn sie sich über ihre eigene Stellung selbst nicht im Klaren sind.

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