Das Ensemble der Burgen verschwindet
Fast wäre hier das Zentrum der Steiermark entstanden. Stattdessen wurden sie fallen gelassen – die mächtigen Mauern von Wildon.
Beim Spaziergang amwildoner Schloßberg verfolgen einen argwöhnische Blicke der hier lebenden Gämsen. Die Natur erobert Lebensraum zurück – dass hier am Kogel einst vier Burgen trotzig in die Landschaft blickten, ist heute nur noch zu erahnen.
Getrennt waren die beiden größeren Wehranlagen einst von einem mehrere Meter tiefen Graben. „Würde man hier einen Grabungsschnitt anlegen, könnte man durch die Erdschichten viele Epochen der Menschheitsgeschichte verfolgen“, sinniert Christoph Gutjahr, Archäologe imkulturpark Hengist. Und würde man Geld – viel Geld – investieren, dann könnte man hier am Schloßberg eine Menge Geheimnisse lüften. Etwa jenes um die legendäre Hengistburg aus dem 10. Jahrhundert oder über Ulrich I. von Wildon, der im Jahr 1260 in der Schlacht bei Kroissenbrunn im Marchfeld die steirischen Ritter mit einem weiß-grünen Banner anführte. Und man könnte auch viele Fragen zur letzten großen Ära dieser Region beantworten. Zu einer Zeit, in der Wildon fast Robert Preis Landeshauptstadt wäre.
Wir befinden uns in einer bewegenden Phase. Im ausgehenden Mittelalter bewährt sich Wildon in den wilden Schlachten der Baumkircher Fehde (1469/70) und dem Ringen mit Ungarnkönigmathiascorvinus (1479, 1490). Außerdem streiften erstmals osmanische Truppen umher, diemenschen standen Ängste aus, weshalb man in Graz das Landplagenbild malen ließ (1485). Und doch: Die Zeit verging wie eh und je, und die Mauern begannen zu bröckeln.
Bereits 1515 hatte Christoph Gloyach die landesfürstliche Burg Wildon als „ain alte öde behausung die lannge jar da unerpaut gelegen“bezeichnet. Insgesamt befanden sich damals vier Burgen am Schloß- geworden berg, Alt- und Neuwildon getrennt durch den erwähnten Graben, dazu ein heute noch erahnbarer Sammelplatz für das militärische Aufgebot. Am Fuße des Bergs die Burgen Ful und Hengst. Gloyach verlor die Herrschaft Oberwildon später an die Adelsfamilie Leysser, wegen derer Verdienste während der Belagerung Wiens durch die Osmanen (1529). Der von Graz aus regierende Erzherzog Ferdinand I. (1503–1564) dürfte mit diesem Schachzug versucht haben, einen dauerhaften Streit zu beenden. Ein Versuch, der beinah gehörig misslang, denn ausgerechnet Hans Leysser, der Bruder des Wildoner Burgpflegers Ulrich Leysser, war es, der die Landstände befeuerte, Graz zu verlassen. Schon länger war das Verhältnis zwischen ihnen und der Stadt wegen Maut- und Steuerfragen getrübt. „Und obwohl die Landstände seit 1494 am Sitz ihrer Verwaltung, dem Landhaus, bauten, erwogen sie 1528, Graz zu verlassen“, so Landesarchiv-direktor Gernot Peter Obersteiner im „HengistMagazin“.
Sie wandten sich an Erzher- zog Ferdinand, er möge ihnen Burg und Markt Wildon überlassen. Zehn Jahre zuvor hatten ihre Standesgenossen in Kärnten vom Landesfürsten ja Klagenfurt übereignet bekommen und ihren Sitz von St. Veit dorthin verlegt. Wildon allerdings hatte eine ungleich mächtigere Lage, befand es sich doch an den Ufern von Mur und Kainach in einer Schlüsselposition. Die Räte der niederösterreichischen Kammer hatten dieses Ansinnen im Mai 1528 zu erörtern – und entschieden sich deshalb dagegen. Ganz abgesehen davonwurde das Land aber ohnehin bald von viel größeren Nöten überrollt: 1532 verwüsteten Sultan Suleimans Truppen nach der Niederlage bei Wien die halbe Oststeiermark und