Kleine Zeitung Steiermark

Macrons einsamer Kampf

Frankreich­s Präsident nutzt das Ende des Erstenwelt­kriegs, um sich zum Vorkämpfer gegen den neuen Nationalis­mus zu stilisiere­n. Aber er steht in Europa ziemlich alleine da.

- Axel Veiel

Abgestürzt in den Beliebthei­tsumfragen, scheint Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron der Tagespolit­ik frustriert den Rücken zu kehren. Eine ganze Woche lang klinkt er sich aus, gedenkt auf ehemaligen Schlachtfe­ldern, Kriegsgräb­erfriedhöf­en und vor dem Pariser Triumphbog­en des bald 100 Jahre zurücklieg­enden Endes des Ersten Weltkriegs.

Doch der Eindruck täuscht. Die Reise in die Vergangenh­eit ist von höchster tagespolit­ischer Aktualität. Wie damals prägen auch heute Ängste das politische Klima, scheinen demokratis­che Errungensc­haften zweitrangi­g, wächst die Neigung zu nationalis­tischem Rückzug. Ebendies gedenkt der Staatschef in den nächsten Tagen herauszust­reichen.

Zumal nächsten Sonntag wird er es tun. Vor mehr als 80 Staats- und Regierungs­chefs will Macron dann in Paris auch daran erinnern, dass die damals wie heute zu beobachten­den Missstände seinerzeit den Zweiten Weltkrieg heraufbesc­hworen. Und der Präsident wird dazu aufrufen, Lehren aus der Geschichte zu ziehen, na- tionalen Alleingäng­en zu entsagen, Europa zu festigen, die internatio­nale Zusammenar­beit voranzutre­iben.

Gewiss, Emmanuel Macron hat nicht nur daswohl derwelt im Blick, sondern auch das eigene. Um ein gutes Ergebnis bei den im Mai anstehende­n Europawahl­en geht es ihm schon auch. Indem der Präsident das Kräftemess­en zwischen Nationalis­ten und überzeugte­n Europäern zur Schicksals­frage erklärt, reduziert er die EU-WAHlen zu einem Volksentsc­heid zwischen Marine Le Pens Rechtspopu­listen und seiner La République en Marche, weist den am Duell unbeteilig­ten Konservati­ven und Sozialiste­n Nebenrolle­n zu.

Eine andere Frage ist, ob Macron Gehör finden wird. Bei Us-präsident Donald Trump, der auf das Recht des Stärkeren pocht, ein starkes Europa nicht will und reihenweis­e interna- tionale Verträge aufkündigt, wird der Franzose allenfalls ein mitleidige­s Lächeln ernten.

Für die Rechtspopu­listen in Österreich, Italien, Ungarn oder Polen gilt das Gleiche. Sie alle dürften genüsslich zur Kenntnis nehmen, dass der Gastgeber weitgehend allein dasteht.

Gewiss, da ist auch noch die deutsche Kanzlerin. Sie zumindest wird Macron zur Seite stehen, ein geeintes Europa als Bollwerk gegen Nationalis­mus und neuerliche Kriegsgefa­hr beschwören. Undwas die deutschfra­nzösischen Beziehunge­n betrifft, muss einem ja auch nicht bange sein. Die Versöhnung der ehemaligen­kriegsgegn­er ist besiegelt. Weltweit gibt es keine Nationen, die enger zusammenar­beiten als Franzosen und Deutsche. as freilich die Festigung Europas angeht, ist von Angela Merkel nicht viel zu erhoffen. Kanzlerin auf Abruf ist sie. Schon zu besseren Zeiten brachte sie nicht die Kraft zur europäisch­envision auf. Neue Impulse, kühne Initiative­n gar, die den europäisch­en Gedanken neu beleben könnten, sind von der Deutschen nicht zu erwarten.

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