Mohr und Negerbusserl
leben in einer Zeit, in der man sehr aufpassen muss, was man sagt oder schreibt. Sprachliche Tugendwächter lauern überall, manchmal sogar in der eigenen Familie. Immer wieder höre oder lese ich von „roten Linien“, die man nicht überschreiten darf. Pausenlos ist jemand „bestürzt“oder „zutiefst erschüttert“oder gar „in Schockstarre“. Manchmal ist man geneigt zu glauben, das Leben bestehe nur aus zwei sich feindlich gegenüberstehenden Welten, als gäbe es nur schwarz oder weiß und keine Farbtöne dazwischen: tolerant – diskriminierend, weltoffen – eng, liberal – national, links – rechts, wahr – falsch, Gutmenschen – Rassisten, wir – die anderen.
Unlängst verwendete meine Mutter, die in den nächsten Tagen ihren 95. Geburtstag feiert, den Begriff „Neger“. Klemens zuckte zusammen und machte sie höflich darauf aufmerksam, dass das inkorrekt sei. „Ich bin aufgewachsen“, antwortete seine Großmutter, „da war das deutsche Wortneger völligwertfrei. Erst in den 60er-jahrenwurde es mit der amerikanischen Bedeutung von Nigger verbunden und daher verboten.“
Darauf entspann sich eine Diskussion, was denn die richtige Bezeichnung sei: Schwarze, Farbige, Maximalpigmentierte, Schwarzafrikaner, Afroamerikaner? Meine Söhne, ausgewiesene Sturm-fans wie ihr Großvater, plädierten für „Blackys“. Im Wörterbuch (Duden) findet sich folgende Definition: Kosenamen für einwesen, das durch ein oder mehrere schwarze oder dunkle Merkmale gekennzeichnet ist.
Einig waren wir uns, dass es gar nicht geht, wenn die politische Korrektheit Kinderbücher nach gegenwärtigen Spielregeln umzumodeln trachtet. Pippi Langstrumpf darf in den neuesten Auflagen keine „Negerprinzessin“und ihr Vater kein „Negerkönig“mehr sein. Jetzt ist er ein „Südseekönig“. Stark gefährdet ist auch der „Mohr“im Struwwelpeter, dafür sind die „Zehn kleinen Negerlein“nicht totzukriegen. Auch gegen heftigste Proteste zählen sie zum deutschen Liedgut.
Alsklemens zur Tür humpelt und meinen fragenden Blick sieht, sagt er: „Einnegerbusserl – vom letzten Spiel.“Schwarzafrikanerbusserl? Blackybusserl? Ich weiß nicht …
Sie erreichen den Autor unter Die neuesten Notizen
160 Seiten, 16,90 Euro