Kleine Zeitung Steiermark

Der willenssta­rke Mahner

- Von Monika Schachner

Johannes Ude war der erste und in dieser Form einzige Priester, der nach der Reichspogr­omnacht heftig beim Ns-gauleiter protestier­te. Doch nicht nur gegen diese Gräuel erhob er seine Stimme.

Sein außergewöh­nlicher Intellekt zeigte sich bald: Mit 27 Jahren hatte Johannes Ude zwei Doktoratss­tudien in Theologie und Philosophi­e in der Tasche, später promoviert­e er in Naturwisse­nschaften und Nationalök­onomie.

1874 in St. Kanzian am Klopeiner See geboren übersiedel­te die Familie bald nachnoreia bei Mühlen im Bezirk Murau. „Der Vaterwar Direktor an der dortigen Volksschul­e. Johannes hielt sich damals viel im Gebiet rund um den Zirbitzkog­el auf. Davon stammt auch seine Liebe zur Natur“, erzählt Michaela SohnKronth­aler, Kirchenhis­torikerin an der Uni Graz. Nach dem Besuch des Gymnasiums im Stift St. Lambrechtw­echselte er nach Graz, später nachrom, um dort zu studieren, 1900 erfolgte die Priesterwe­ihe. Nach Stationen als Kaplan in Fernitz und Präfekt im Knabensemi­nar kam er 1906 als Lehrender an die Universitä­t Graz. „Sein Fachgebiet war die spekulativ­e Dogmatik, wobei er hier durchaus nicht nur konformist­ische Positionen vertrat“, so die Kirchenhis­torikerin. Und Reinhard Farkas, Historiker an der Uni Graz mit Schwerpunk­t Kultur- und Regionalge­schichte: „Er hat sich für die Unauflösli­chkeit der Ehe ebenso eingesetzt wie für das Fördern von Geburten, einen strikten Antialkoho­lismus vertreten und den verbreitet­en Frauen- und Kinderhan- del zum Thema gemacht.“Um das Jahr 1915 berichtet der Priester von 19 Bordellen und tausend Prostituie­rten allein in Graz, verbreitet­e Geschlecht­skrankheit­en wie Tripper oder Syphilis. Er selbst war Nichtrauch­er, Vegetarier und trank ab 1910 keinen Tropfen Alkohol mehr. Seit er Verwundete­ntransport­e betreute, wurde er zum entschiede­nen Kriegsgegn­er und Pazifisten. Farkas: „Ude wollte durch eine ,christlich­e Revolution‘ die Gesellscha­ft wieder christlich machen.“1927 trat er sogar mit einer eigenen Partei bei den Wahlen zur Nationalve­rsammlung und zum Landtag an und erreichte in der Steiermark zwei Mandate.

Seine teils extremen Positionen führten auch zu Spannungen mit den Bischöfen und der Christlich­sozialen Partei, wie Sohn-kronthaler weiß. Die Folgen blieben nicht aus: 1929 erhielt Ude ein Redeverbot, 1934 ein Lehrverbot. Doch seine charismati­sche Persönlich­keit und Redekunst hatten mittlerwei­le viele Anhänger gefunden, ihm daher auch den Spitznamen „Savonarola vongraz“eingebrach­t. Savonarola hatte im 15. Jahrhunder­t in Florenz Massen um sich geschart, später wurde er verbrannt. Ude selbst sah sich „als ein Rufer in der Wüste“.

Dennationa­lsozialist­en stand Ude anfangs positiv gegenüber: Er war überzeugt, dass sich sein Programm mit dem der NSDAP decke, und fand manch Gemeinsame­s. So trat er auch für den Anschluss an Hitler-deutschlan­d ein. Doch schon bald sollte sich seine Meinung drastisch ändern: Und zwar durch die Pogrome vom 9. auf den 10. November, als im ganzen Reich Hunderte Synagogen brannten, Dutzende jüdische Menschen ums Leben kamen und Tausende inhaftiert wurden oder in Konzentrat­ionslager kamen. „Gleich am nächsten Tag schickte Ude einen Protestbri­ef an Gauleiter Sigfried Uiberreith­er ab, in dem er heftig und empört gegen die ,banditenar­tigen Überfälle‘ und dieses ,Verbrechen gegen die Menschlich­keit‘ protestier­te“, so Sohn-kronthaler. Wenige Tage später, am 14. November, langte das Antwortsch­reiben des Gauleiters ein: Er

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