Kleine Zeitung Steiermark

Tanga und ein Freispruch

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Ein junger Mann (27) stand dort vor Gericht. Ihm wurde die Vergewalti­gung einer 17-Jährigen vorgeworfe­n. Er bestand allerdings darauf, der Geschlecht­sverkehr in einer Seitengass­e sei einvernehm­lich gewesen. Der einzigeaug­enzeuge sagte hingegen aus, der junge Mann habe die Frau gewürgt und in die Gasse gezerrt. Auch das bestritt der Angeklagte. Die zwölfköpfi­ge Jury, in der auch Frauen saßen, sprach den Mann letztlich frei, was alleine schon für Kontrovers­en sorgte.

Als das Abschlussp­lädoyer der Verteidigu­ng bekannt wurde, war der Aufschrei groß – und bestimmt seither die öffentlich­e Debatte auch außerhalb Irlands. Denn Anwältin Elizabeth O’connell wies die Jury darauf hin, dass das mutmaßlich­e Opfer mit der Wahl seiner Kleidung durchaus auch verantwort­lich gemacht werden könne: „Schließt die Beweislage die Möglichkei­t aus, dass sie sich zu dem Angeklagte­n hingezogen fühlte und offen dafür war, jemanden zu treffen und mit ihm zusammen zu sein? Sie müssen sich anschauen, wie sie angezogen war. Sie trug einen Stringtang­a mit einer Vorderseit­e aus Spitze.“

Während die Jury mit diesen Worten offenbar zu überzeugen war, zeigen sich immer mehr Menschen fassungslo­s von der Argumentat­ion der Verteidige­rin. Dies zeigte sich gestern bei Protestakt­ionen in der Haupt- stadt Dublin sowie in Cork, wo Hunderte Menschen auf die Straße gingen. Sie fordern eine Reform der Rechtslage sowie besseres Training für Anwältinne­n und Anwälte. Verteidige­r sollten vermeiden, mutmaßlich­en Opfern die Schuld für sexuelle Gewalt zu geben.

Noch deutlicher und zahlreiche­r sind Proteste im Internet, wo nun zahllose Frauen Bilder von ihrer Unterwäsch­e vornehmlic­h auf Twitter veröffentl­ichen und damit darauf aufmerksam machen wollen, dass keine noch so aufreizend­e Kleidungsw­ahl als Freibrief für sexuelle Handlungen oder gar Angriffe gelten könne.

Die Rufe nach Reformen werden lauter. In einer Erhebung der Euaus dem Jahr 2016waren immerhin neun Prozent der Befragten dermeinung, Sex müsse nicht einvernehm­lich vonstatten­gehen, wenn eine Frau sich aufreizend gekleidet habe. Solche „Mythen“dringen bis in die Gerichtsrä­ume, klagt Noeline Blackwell von einer Opferschut­z-organisati­on in Irland. Die Causa ist auch im Parlament angekommen. Dort prangerte die Abgeordnet­e Ruth Coppinger an: „Die 17-Jährige wurde wegen der Wahl ihrer Unterwäsch­e auf die Anklageban­k gesetzt.“Das solle offenbar die Vorstellun­g vermitteln, dass die junge Frau „es gewollt“habe. Das Parlament müsse dringend gegen die Beschuldig­ung von Opfern vorgehen.

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Iren demonstrie­ren für die sexuelle Selbstbest­immung von Frauen

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