Leugnen, Abwiegeln, Ablenken
Die Mängelliste des Internetgiganten Facebook wird länger. Aber wenn, wie jetzt, eine Schmutzkübelkampagne auffliegt, hat keiner was gewusst. Woran erinnert das bloß?
Bekanntlich lässt sich die Gegenwart oft ganz gut aus der Vergangenheit erklären. Beamen wir uns also kurz zurück ins Jahr 2016: In den USA tat sich da nach den Präsidentschaftswahlen langsamdas Ausmaß der Manipulation durch russische Hacker auf: geknackte Computernetzwerke bei den Demokraten, Eingriffe in Hillary Clintons Kampagne, groß angelegte Manipulation der öffentlichen Meinung in einem von zwei Dritteln der Us-öffentlichkeit als Nachrichtenquelle genutztenmedium: Facebook.
Dass gezielte Falschinformation in seinem sozialen Netzwerk denausgang der US-WAHlen wesentlich beeinflusst haben könnte, tat Facebook-gründer Mark Zuckerberg in Interviews damals dennoch als „ziemlich verrückte Idee“ab: Facebooks Fake-news-problem sei erstens gering und begünstige zweitens keines der politischen Lager. Nun ergab eine groß angelegte Recherche der „New York Times“: Facebook hatte interne Berichte über tatsächlich erfolgte Wahlmanipulation, hat sie aber zurückgehalten, um Trump-fans nicht zu vergrätzen. Mehr noch: Im Zuge des Datenskandals um „Cambridge Analytica“beauftragte dasnetzwerk die den Republikanern nahestehende PRFirma „Definers“mit Strategien gegen die wachsende Zahl der Facebook-kritiker. Diese entwickelte prompt eine DirtyCampaigning-offensive, die darauf abzielte, Verschwörungstheorien um Facebooks Gegner und den Milliardär George Soros anzuzetteln. Der als politisch progressiv geltende Philanthrop und Großspender gab wohl eine bequeme Zielscheibe ab, er steht auch immer wieder im Mittelpunkt antisemitischer Anwürfe. Zuckerberg gab sich nach den Enthüllungen erwartungsgemäß schockiert: Er habe von der Schmutzkübelkampagne nichts gewusst, sagte er Journalisten, und so was entspreche auch nicht seinem Stil. Die Zusammenarbeit mit „Definers“ist inzwischen beendet, die Mängelliste der mittlerweile von 2,3 Milliarden Menschen genutzten Plattform ist dennoch ziemlich umfangreich:
Sie umfasst Wahlmanipulation, Datenmissbrauch, Falschinformationen, Cybermobbing, rassistische Hasskampagnen. Öffentlichem Diskussionsbedarf wird mit Leugnen, Abwiegeln, Ablenken begegnet. Mit bemerkenswerter Routine imitiert der Gigant da die Methoden der Rechtspopulisten, denen er offiziell nicht nahesteht. egelwerke gibt es für Facebook nach wie vor kaum. Die USA unternehmen in dieser Hinsicht nichts, die EU hat kaum Handhabe gegen den digitalen Riesen. Natürlich könnte Facebook selbst einen ersten Schritt tun und die unternehmerische Verantwortung übernehmen, die Medienbetrieben nun einmal obliegt: Fakten recherchieren, Inhalte filtern, Hass aussortieren. Aber Zuckerberg beharrt auf dem reinen Plattformstatus von Facebook, der Information nicht generiert, sondern nur verbreitet. Das ist für das Unternehmen weit bequemer. Aber auchweitaus schmutziger, wie sich nun zeigt.
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