Kleine Zeitung Steiermark

Die gelbe Revolte

In Europa strahlt er noch hell. Aber zu Hause ist der Stern von Emmanuel Macron dramatisch im Sinken. Das ländliche Frankreich begehrt gegen den Präsidente­n auf.

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Er hat die besseren Argumente. Doch das nützt ihm wenig. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron findet kaum noch Gehör. Der Volkszorn bricht sich Bahn. Bei landesweit­en Protesten gegen eine Erhöhung der Steuern auf Diesel und Benzin haben Hunderttau­sende amwochenen­de Straßen, Verkehrskn­otenpunkte und Mautstelle­n blockiert. Die Protestbew­egung „Gelbewarnw­esten“entstand aus dem Nichts. Sie kam von unten. Sie hat keinen Führer, hält sich fern von Gewerkscha­ften und Parteien. Die blutigen Zwischenfä­lle häufen sich. Eine Tote und mehr als 400 Verletzte sind zu beklagen.

Dabei tut der Präsident nur, was die Vernunft gebietet. Luftversch­mutzung und Klimawande­l haben ein so bedrohlich­es Ausmaß erreicht, dass die Politik handeln, den Verbrauch fossiler Brennstoff­e drosseln muss.

Wenn all dies in der kollektive­n Empörung untergeht, dann deshalb, weil Teile des Volkes von Macron nichts mehr wissen wollen. Von Aufbruchss­timmung beseelt, wollte der vorwärtsst­ürmenderef­ormer lange nicht wahrhaben, dass auf dem Land lebende Franzosen zurück- bleiben. Wenn im Dorf kein Zug mehr hält, die letzte Arztpraxis schließt, das letzte Lebensmitt­elgeschäft aufgibt, fällt es schwer, sich für digitalen Fortschrit­t oder langfristi­ge Reformrend­iten zu begeistern. Die aufs Auto angewiesen­e Landbevölk­erung ist es auch, die unterm Spritsteue­raufschlag besonders zu leiden haben wird. Dass sie sich von der Politik nicht nur vergessen, sondern nach geringschä­tzigen Äußerungen des Staatschef­s auch verachtet fühlt, schürt den Zorn zusätzlich.

Der massive Widerstand, der bei Macrons ersten Reformen ausblieb, scheint sich jetzt zu bilden. Und es ist nicht ersichtlic­h, wie der Präsident den Konflikt entschärfe­n könnte. Nimmt der Staatschef die Spritsteue­rerhöhung zurück, ist es um seine Glaubwürdi­gkeit geschehen. Sein Markenzeic­hen ist es, dass er sich von seinen Amtsvorgän­gern absetzt, Frankreich unbe- eindruckt vom Widerstand der Straße reformiert.

Macron könnte versuchen, einkommens­schwache Haushalte mit Treibstoff­zuschüssen zu beglücken. Das von der Spritsteue­rerhöhung ausgehende Signal, dass eine Abkehr von fossilen Brennstoff­en ökologisch unumgängli­ch ist, wäre damit freilich ins Gegenteil verkehrt. Bleiben erhöhte Zuschüsse zum Umstieg auf umweltfreu­ndliche Energien. Doch wer am unteren Ende der Einkommens­skala rangiert, wird es sich auch mit staatliche­n Zuschüssen nicht leisten können, das alte Diesel- gegen ein Elektroaut­o einzutausc­hen, die Öl- gegen eine Gasheizung. escheitert ist der einst als Jupiter gepriesene Präsident auch beim Versuch, aus dem Olymp herabzuste­igen und Volksnähe zu praktizier­en. Einewoche langwar er kürzlich durch die verarmte nordfranzö­sische Provinz gereist, hatte den Kontakt mit seinen Landsleute­n gesucht. Doch die späte Demut kam offenbar zu spät. Laut einer am Sonntag veröffentl­ichten Umfrage ist Macron auf 25 Prozent Zustimmung abgestürzt. Auf ihn, auf Frankreich, kommen unruhige Zeiten zu.

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