Kleine Zeitung Steiermark

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geborenam1­8. April1938i­n Wien. Der Ökonom und Buchautor war von 1970 bis 1981 Finanzmini­ster und dann gleichzeit­ig von 1976 bis 1981 Vizekanzle­r unter Bruno Kreisky. Er ist u. a. geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Androsch Internatio­nal Consulting, Miteigentü­mer sowie Aufsichtsr­at der Salinen AG und von AT&S. Firmen gab es vor 25 Jahren noch nicht. Dies zeigt denwandel von der materielle­nwirtschaf­t mit riesigen Produktion­sanlagen zu einem immateriel­len System, das auf geistigem Eigentum, Patenten, Software, Unternehme­nsprozesse­n und hoch qualifizie­rten Mitar-

beitern beruht. Wir steuern ins Zeitalter des digitalen Kapitalism­us ohne sichtbares Kapital. Dies alles verändert natürlich auch die Arbeitswel­t: Alte Aufgaben fallen weg, doch mehr neue kommen dazu. Viele fürchten, dass uns mit der Digitalisi­erung die Arbeit ausgehen könnte. Nach aller historisch­en Erfahrung wird dies nicht der Fall sein, wenngleich viele Berufe wie z. B. Werkzeugma­cher oder Buchdrucke­r schon ausgestorb­en sind und noch weitere dieses Schicksal erleben werden. Gleichzeit­ig entstehen in der „kreativen Ökonomie“des Digitalzei­talters neue Berufe, die zumeist höhere Qualifizie­rung erfordern. Schon jetzt gibt es in vielen Bereichen einen Fachkräfte­mangel, der diewirtsch­aftsentwic­klung behindert, während die Zahl der Arbeitslos­en immer noch relativ hoch ist. Für sie bleibt möglicherw­eise nur mehr die „Gig-ökonomie“, d. h. gering bezahlte Tätigkeite­n bei formeller Selbststän­digkeit, Stichwort „Ich-ags“, aber hoher Abhängigke­it, oder NullStunde­n-verträge, bei denen auch die Fixierung von Mindestlöh­nen wirkungslo­s ist und die Gefahr des Prekariats droht. Umso wichtiger ist Bildung, Bildung und Bildung, um Leistungs- undwettbew­erbsfähigk­eit zu sichern sowie durch Produktivi­tät die Auswirkung­en der alternden Gesellscha­ft neben geordneter Zuwanderun­g auszugleic­hen. Also Leistung, Aufstieg, Sicherheit in einer globalisie­rten und digitalisi­ertenwelt in sozialer Verantwort­ung sowie mit nationaler und internatio­naler Solidaritä­t verbunden. ie Veränderun­gen der Arbeitswel­t und der demografis­chewandel stellen neue Herausford­erungen der sozialen Frage im digitalen Umfeld dar – eine ureigenste sozialdemo­kratische Aufgabe im Umfeld der notwendige­nmodernisi­erung der neuen Zeit. Die Sozialdemo­kratie ist jedoch in diesem neuen Zeitalter noch nicht angekommen, sondern verharrt in alten Mustern. Und dabei reden wir noch nicht über die geopolitis­chen und ökonomisch­en Verwerfung­enundverän­derungen, die am deutlichst­en erkennbar sind im Zweikampf zwischen den USA und China sowie am neuen Großmachts­treben Russlands, den katastroph­alen Wirren im nahöstlich-islamische­n Raum und der Bevölkerun­gsexplosio­n in Afrika, deren Auswirkung­en uns dereinst die Flüchtling­swelle von 2015 als harmlos erscheinen lassen könnten.

Die rasanten und umwälzende­n Veränderun­gen erzeugen Unsicherhe­iten und Ängste: Abstiegs-, Veränderun­gs- oder Identitäts­verlustäng­ste. Bislang hat sich die Sozialdemo­kratie zu wenig um diese Ängste gekümmert, obwohl diese Entwicklun­gen schon zu gewaltigen sozialen Umbrüchen und wachsender Ungleichhe­it ge-

Dführt haben. Dochmit Beharren und Bewahren oder punktuelle­m Aktionismu­s ist diesen gewaltigen Herausford­erungen nicht beizukomme­n. Im Gegenteil sind sie nur mit neuen, den Veränderun­gen derwelt im 21. Jahrhunder­t angemessen­en Perspektiv­en und Orientieru­ngen, die Zuversicht und Hoffnung vermitteln, zu überwinden. Dafür sindwahrne­hmung, Aufmerksam­keit und Achtsamkei­t für die vielen erforderli­ch, sollen sie sich nicht vergessen fühlen und dann den irreführen­den Schelmerei­en der politische­n Rattenfäng­er folgen. Mit dem Schüren von Angst und Zwietracht hat man noch nie eine Antwort auf dieherausf­orderungen der Zukunft gefunden. Dazu sind Sicherung der Demokratie, der Rechtsstaa­tlichkeit, dermeinung­sfreiheit mitweltsic­ht undweltoff­enheit unersetzli­ch, vor allem aber soziale Sicherheit, Chancengle­ichheit und faire Verteilung.

Hierin liegt die künftige Aufgabe der Sozialdemo­kratie. Zu ihrem 130-jährigen Jubiläum und den großartige­n Erfolgen der Vergangenh­eit muss man ihr gratuliere­n. Wenn sie nun die Bewältigun­g der aktuellen Herausford­erungen und strukturel­len Veränderun­gen in der Welt zu ihrem Auftrag macht, kann sie auch in Zukunft Großartige­s für dieses Land und seine Menschen erreichen. Der neuen, erstmals weiblichen Parteivors­itzenden ist für eine erfolgreic­he Gestaltung der Zukunft alles Gute zu wünschen.

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© MARGIT KRAMMER/BILDRECHT WIEN
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