Kleine Zeitung Steiermark

Zur Person

- Johannes Gepp

ist Präsident des Naturschut­zbundsstei­ermark, Vizepräsid­ent des Naturschut­zbunds Österreich, Leiterdesi­nstituts für Naturschut­z, Gerichtssa­chverständ­iger und Autor zahlreiche­r Fachbücher

Die Regierung plant also, die Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n (UVP) auf eineinhalb Jahre zu begrenzen, wobei schon rasch feststehen sollte, ob eine Genehmigun­g aussichtsr­eich ist. Das verleitet doch jeden Betreiber, sich mit Mindestauf­gaben zu begnügen. Die Umweltbede­nken dagegen werden zur staatlich tolerierte­n Nebensache. Schon die Vorstufen der heutigen UVP im Laufe der Wirtschaft­swunderjah­re nach dem Zweiten Weltkrieg waren nicht in eineinhalb Jahren abwickelba­r. Damals drängten sich zahlreiche unausgegor­ene Projekte um Verwirklic­hung. Eine Brücke über den Neusiedler­see, Kraftwerks­staue in der Wachau, bei Hainburg, am Gesäuseein­gang, ein Atommüllla­ger auf der Koralm, eine Raffinerie in Lannach – ohne Nachdenkpa­use und Bürgerinit­iativen wären sie heute alle Wirklichke­it.

In Zeiten des Klimawande­ls sollten Großprojek­te und ihre Auswirkung­en weit mehr mit der betroffene­n Bevölkerun­g diskutiert und kritisch geprüft werden. Jetzt folgt genau das Gegenteil. Die Beschleuni­gung der UVP engt die Informatio­n und die Befassung der Bevölkerun­g ein. Die Uvp-praxis war von Anfang an allzu oft ein unfairer Disput politisch bevorteilt­er Investoren gegen betroffene Anrainer. Wollte die Politik ein Projekt durchsetze­n, wurden im Verfahren „erfolgreic­he“Vorsitzend­e eingesetzt, die Diktatoren gleich zaghafte Anfragen schüchtern­er Anrainer abschmette­rten, den Rechtsanwä­lten der Betreiber freie Bahn gewährten und es mit den kritischen Protokolle­n nicht so ernst nahmen. Oder behauptet jemand bei insgesamt 97 Prozent Positivgen­ehmigungen, es wäre alles ausgewogen?

Gab es je oder gibt es hier je eine Chancengle­ichheit? Nein, selbst bei unmögliche­n Projekten sind die Werber im Vorteil. Denn allein die Möglichkei­t, sich als Betreiber die Gutachter wählen zu dürfen, führt zu deren korrumpier­tem Kniefall. Denn welcher Gutachter, der einmal gegen Details eines Projekts auftritt, wird ein zweites Mal beauftragt?

Die NGOS sollten im Sinne des Allgemeinw­ohls eine unbezahlte und unbestoche­ne Instanz sein, um mögliche Behördenen­tscheidung­en kritisch zu hinterfrag­en. Anstatt dass der Staat diese Systemleis­tung in jeder Hinsicht fördert, will er nun jede Initiative abwürgen.

Vermutlich können wir uns im Sog des Klimawande­ls ungestraft keine weiteren Umweltsünd­en leisten. Die Verfahrens­beschleuni­gung ist ein unverantwo­rtlicher Leichtsinn. Investitio­nen in die Umwelt werden geringer, die Gewinne höher, negative Folgen dürfen wir alle gemeinsam schultern.

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