Kleine Zeitung Steiermark

Spott und Gänsehaut

- Von Ernst Sittinger

Die SPÖ zelebriert die Kür ihrer ersten Parteichef­in – und will diese zur Kanzlerin machen.

Christian Kern ist wieder da. Er steht in derselben Messehalle in Wels, in der er Anfang 2017 seinen „Plan A“fürs Land präsentier­te. Was für ein Unterschie­d! Kaum wiedererka­nnt habe er die Halle, sagt der Mann, der seinen letzten Tag als Sp-chef nach eigenem Bekunden „ein bisschen wie eine Berg-und-tal-fahrt“erlebt.

Kern war Kurzzeitka­nzler und Kurzzeitvo­rsitzender, nun outet er sich als „verdammter Gutmensch“. Er steht allein auf der riesigen Bühne und zieht ein letztes Mal alle Register seines Könnens. Die Halle sei „ein Wembley der Sozialdemo­kratie“, also ein heiliger Ort.

Der Scheidende nimmt Anleihe bei der Muppet Show: Er werde künftig keine Ratschläge aus der Seitenloge geben, „denn die Rollen Waldorf & Statler sind in unserer Partei stabil besetzt“. Und dann sagt Kern leichthin einen Satz, der symbolhaft stehen könnte für sein ganzes politische­s Wirken: „Ich habe den Anfang gut einstudier­t gehabt – den Rest dann nimmer.“

Amende bekommt er stehenden Beifall, es ist wohl auch der Applaus der Erleichter­ung. Denn fast hätte Kern noch im Abgang das Fest der Nachfolger­in verdorben. Er ist rhetorisch brillant, überzieht die Redezeit ums Vierfache, jedes weitere Wort wäre zu viel gewesen.

Dabei geht es ja eigentlich um sie: Pamela Rendi-wagner, aufgewachs­en im Gemeindeba­u, seit zwei Jahren erst SPÖ-MITglied, jetzt nach 130 Jahren die erste Frau an der Spö-spitze und künftig erste Bundeskanz­lerin der Republik – das wäre zumindest der erklärte Plan dieser Versammlun­g.

Ein historisch­er Tag also, „ein Gänsehaut-moment“, wie Parteigesc­häftsführe­r Thomas Drozda sagt. Rendi-wagner wird ausgestell­t als Sinnbild sozialdemo­kratischen Aufstiegss­trebens, sie selbst beschreibt sich als Kind der Kreisky-ära und empfiehlt unbescheid­en, man möge „meine Biografie als Beispiel nehmen“.

Ihre 65-minütige Rede gerät rhetorisch phasenweis­e holprig, die später von Kern bewie-

Newspapers in German

Newspapers from Austria