Eine Totenmesse, „Gattung: kolossal“
Die „Grande messe des morts“von Hector Berlioz, ein aufwühlendes Monumentalwerk, erklingt heute erstmals im Musikverein.
Das Publikum im Invalidendom ist bis ins Mark erschüttert. Der Priester, der die Totenmesse zelebriert, bricht am Altar in Tränen aus. Beim „Dies Irae“, in dem das von acht Paukenpaaren umzingelte Hauptorchester zornig dröhnt, fällt eine Chorsängerin in Ohnmacht. Und als dann
(nämlich vier Bläsergruppen aus den vier Himmelsrichtungen zum Jüngsten Gericht rufen), wackelt womöglich sogar Napoleons Sarkophag in der Krypta ...
Ja, die Uraufführung der „Grande messe des morts“1837 in Paris war umwerfend, allein schon wegen der unerhörtenbesetzung mit 210 Choristen und 190 Instrumentalisten, die in der Partitur verlangt und noch für erweiterbar gehaltenwurde. Denn nichtsweniger als „das größte je geschriebene Werk“war Hector Berlioz vorgeschwebt. „Gattung: kolossal“, hatte er dazu notiert, und der wenig religiöse Komponist war selbst erstaunt über die Wirkmächtigkeit seiner Totenmesse: „Alles war tatsächlich von furchtbarer, erhabener Größe“.
Für Berlioz, zu dessen imposantem Oeuvre die „Symphonie fantastique“genauso zählt wie die Oper „Les Troyens“sollte sein Opus 5 herausragend bleiben: „Wenn ich dazu verurteilt würde, alle meine Schöpfungen mit Ausnahme einer einzigen Partitur verbrennen zu müssen, so wäre es das Requiem, für das ich um Gnade bitten würde“.
2003, zum 200. Geburtstag von Berlioz, erfuhr die „Grande messe“weltweit eine Renaissance und wurde etwa auch beim Osterklang in Wien von Bertrand de Billy und bei den Salzburger Festspielen von Valery Gergiev präsentiert. Im Grazer Musikverein erklang sie bisher überhaupt noch nie. Demschafft man heute Abhilfe. Die Grazer Philharmoniker, der Chor und Extrachor der Oper Graz sowie der Chorus Viennensis machen sich im Stefaniensaal an die Monsteraufgabe, und Theodor Guschlbauer am Pult ist der Herr der Scharen.
„Auch im kleineren Rahmen hinterlässt dieses grandiose Werk tiefen Eindruck“, weiß der Wiener, bei dem das Monumentalwerk seines „Landsmanns“bestimmt in guten Händen liegt. Denn der 79Jährige, der von 1983 bis 1997 die Straßburger Philharmoniker leitete und Ritter der Ehrenlegion ist, gilt als „Franzose“unter den österreichischen Dirigenten und wird die pompösen Passagen mit dem Riesenapparat wohl ebenso auskosten wie die intimen, etwa im „Sanctus“. Michael Tschida „Grande messe des morts“von Hector Berlioz. Heute,
19.30 Uhr, Stefaniensaal Graz. Karten: Tel. (0316) 82 24 55. www.musikverein-graz.at