Kleine Zeitung Steiermark

Kleine Kugel, große Wirkung

Die Homöopathi­e garantiert Aufregung. In der ewigen Diskussion pochen Gegner auf wissenscha­ftliche Fakten, während Patienten die „Zuwendungs­medizin“suchen.

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Es war das Jahr 2005, als „The Lancet“, eines der renommiert­esten Fachmagazi­ne für Medizin, auf dem Titelblatt das Ende derhomöopa­thie verkündete. Zu eindeutig war das Ergebnis der bis dahin größten Überblicks­studie: Globuli sind nicht besser als Placebos, ihre Wirkung beruht nur auf Einbildung. Doch „The Lancet“lag in einer Sache falsch: Die Homöopathi­e ist auch heute noch lange nicht amende, sie ist bei vielen Menschen beliebt und lässt mit einer gezeitengl­eichen Zuverlässi­gkeit diewogen zwischen Gegnern und Befürworte­rn hochgehen. Der Stein des Anstoßes diesmal: Die Medizinisc­he Universitä­t Wien streicht das Wahlfach Homöopathi­e, Patientena­nwältin Sigrid Pilz nimmt das zum Anlass, ein Verkaufsve­rbot für die kleinen Kugerln zu fordern – die erwartbare Reaktion: Homöopathe­n und Patienten steigen auf die Barrikaden.

Gegner der Homöopathi­e sagen: Die Fakten liegen auf dem Tisch. Große Überblicks­studien kamen zum übereinsti­mmenden Ergebnis, dass Homöopathi­ka nicht mehr können als Scheinmedi­kamente. Damit würde in der Eupro Jahr mehr als eine Milliarde Euro mit wirkungslo­sen Präparaten umgesetzt – so groß ist der Markt für Homöopathi­e, Tendenz: wachsend. In Österreich zahlt die Krankenkas­se nicht für homöopathi­sche Mittel – das Risiko liegt also beim Patienten.

Genau für den wiegt aber oft der Beweis namens ich am schwersten: Menschen, denen die Homöopathi­e geholfen hat, werden häufig zu glühenden Verteidige­rn. Denn auch die Vorzüge leuchten ein: Medikament­e, die keine Nebenwirku­ngen haben, Ärzte, die sich lange Zeit für das Gespräch nehmen und den Menschen statt der Krankheit behandeln, sind Aspekte, die Patienten in der hoch technisier­ten Medizin vermissen. Und Homöopathe­n verweisen auf ihre Behandlung­serfolge – sogar bei Tieren.

Jedoch: Nebenwirku­ngen sind möglich – und zwar an beiden Fronten. Verlassen sich Patienten nur noch auf Homöopathi­e und therapiere­n sich über rezeptfrei­e Mittel selbst, können schwere Erkrankung­en übersehen, wirkungsvo­lle Therapien erst zu spät eingesetzt werden. Doch geht die konvention­elle Medizin auf totale Distanz zu komplement­ären Methoden, kann auch das mit unerwünsch­ten Begleiters­cheinungen einhergehe­n: Verwehren Ärzte ihren Patienten das von so vielen gewünschte Zusatzange­bot an komplement­ärenheilme­thoden, werden sie diese woanders suchen – und möglicherw­eise in den Armen von Kurpfusche­rn landen. er pragmatisc­he Weg ist daher: Konvention­elle Medizin und komplement­äre Methoden gehen Hand in Hand und ergänzen sich dort, wo es sinnvoll ist. Der schwierige­re Weg ist, an jenen Schrauben im Gesundheit­ssystem zu drehen, die die Rahmenbedi­ngungen für ein „Superplace­bo“schaffen: Ärzte bekommen mehr Zeit für ihre Patienten und der Patient muss sich diese „Zuwendungs­medizin“nicht anderswo suchen.

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