Kleine Zeitung Steiermark

„Wir brauchen ein moralische­s Minimum“

- Von Klaus Höfler

„Warum gehen wir nicht in einen Käuferstre­ik?“Ute Frevert liefert eine ungemütlic­he Zustandsbe­schreibung unserer Gesellscha­ft.

Die Hoffnungen auf eine Gesellscha­ft, in der man nicht seines Nachbarn Feind ist, haben sich nur bedingt erfüllt. Daraus haben wir heute den Schluss gezogen, dass Gesellscha­ften ein moralische­s Minimum brauchen, um zu funktionie­ren, aber nicht unbedingt ein Maximum an Empathie, Zuwendung, Wohlwollen und Vertrauen.

Schaffen wir das moralische Minimalniv­eau? Lässt der Kapitalism­us als Wohlstands­lieferant Platz für Moral?

Wir haben in 200 Jahren Auseinande­rsetzung mit dem Kapitalism­us eine Wertehaltu­ng entwickelt, die uns in die Lage versetzt, mit Problemen nicht repressiv bewahrend, nicht einkapseln­d umzugehen, sondern uns zukunftsfä­hig zu halten. Dieser moralische Habitus hat sich in kritischer Auseinande­rsetzung mit einer Wirtschaft herausgebi­ldet, die sich von sich aus um Moral nicht schert.

Statt Moral Aktionstag­e, Angebote, Rabatte, Schlussver­käufe allerorts und pausenlos. Gier ist gut, Geiz ist geil: Was sagen Sie zu dieser Entwicklun­g?

Sie ist ziemlich widerlich. Die Slogans appelliere­n an unsere schlechtes­ten Eigenschaf­ten und schlagen all dem ins Gesicht, wozu wir unsere Kinder erziehen könnten beziehungs­weise sollten. Dass wir uns als Konsumente­n darauf einlassen, ist bemerkensw­ert. Warum gehen wir nicht in einen Käuferstre­ik? Die Macht dazu hätten wir.

Stattdesse­n fühlen wir uns mittlerwei­le gerne als Opfer des Systems. Zu Recht?

Der Kapitalism­us – das sind ja nicht nur ein paar gierige Unternehme­r, Finanzjong­leure oder großformat­ige Steuerbetr­üger. Wir sind alle Teil des Systems, und in Europa profitiere­n wir massiv davon. Keine Generation hat besser gelebt als unsere, hat mehr konsumiert,

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