Darf der Mensch alles?
Möglicherweise handelt es sich um einen Fake: die Nachricht, in China seien angeblich zwei „GentechBabys“zurwelt gekommen. Jiankiu He, Biotechnologe an der Southuniversity of Science and Technology in Shenzhen, behauptet, vor einigenwochen seien weibliche Zwillinge zur Welt gekommen, nachdem er im Rahmen von künstlicher Befruchtung mithilfe der Genschere CHRISPR/CAS 9 das Erbgut der Mädchen so verändert habe, dass sie ihr ganzes Leben immun gegen Aids bleiben.
Experten äußern Zweifel, ob die Geschichte stimmt. Sollte sie erfunden sein, wäre dies ein Fall vonwissenschaftsbetrug. Getrieben von zügellosem Ehrgeiz machen unseriöse Forscher immer wieder mit Sensationsmeldungenvonsich reden; etwa mit der Behauptung, ein geklontes Kind zurwelt gebracht zu haben. Dergleichen ist nicht nur unseriös, sondern auch unethisch und bringt die Wissenschaft in Misskredit.
Sollte die Geschichte aus China stimmen, wäre sie erst recht einwissenschaftsskandal. Menschen mithilfe von Genscheren wie CRISPR/CAS 9 oder TALENS maßzuschneidern, gilt international zurecht als Tabu. Diese Art der Genchirurgie nennt man Genom Editing. Sie wurde bereits bei Tieren und Pflanzen erfolgreich getestet. Darum muss sie aber beimmenschen noch lange nicht so funktionieren, wie es sich die Befürworter von Genchirurgie erhoffen.
Viele der jetzt diskutierten Fragen und Probleme der Technikfolgenabschätzung sind nicht neu. Wir kennen sie aus der Gentechnikdebatte der 1980er- und 1990er-jahre. Die nun mögliche Eingriffstiefe in das Erbgut verleiht der Diskussion aber eine neue Dimension. Die Hoffnung, bestimmte Erkrankungen auf gentechnischemwege ganz auszurotten, bekommt durch das Genom Editing neue Nahrung. llerdings sind die möglichen Neben- und Folgewirkungen einer Veränderung des menschlichen Erbgutes derzeit noch kaum abschätzbar. Die Genscheren schneiden zum Beispiel nicht immer so präzise wie erhofft. Auch hat man nach derartigen Eingriffen Umstellungen im Genom beobachtet, die zu einem erhöhten Krebsrisiko führen. Selbst wenn präzise Eingriffe in das menschliche Erbgut gelingen sollten, sind die langfristigen Wirkungen im gentechnisch behandelten Individuum noch gar nicht abzuschätzen. Daher handelt es sich um ein unverantwortliches Menschenexperiment.
Die chinesischenwissenschaftler haben ihr Experiment damit gerechtfertigt, dass sie die beiden Mädchen durch den genetischen Eingriff vor Aids schützenwollten. Obmandiese Genmanipulation als therapeutischen Eingriff rechtfertigen kann, ist strittig. Schließlich soll es sichumgesunde Embryonen gehandelt haben. Ob die Mädchen je an Aids erkranken würden, weiß niemand. Ob die genetische Veränderung ursächlich vor Aids schützt, ist medizinisch nicht gesichert, und außerdem gäbe es auch andere Vorsorgemaßnahmen, zum Beispiel Impfungen.
AEinen an sich gesundenmenschen oder einen gesunden Embryo ohne konkreten Anlass zu therapieren, ist grundsätzlich unethisch, zumal dann, wenn die Gefahr besteht, infolge des Eingriffs später einmal andere gesundheitliche Probleme zu bekommen. Um aber schwere Erbkrankheiten auszuschließen, gibt es diemethode der Präimplantationsdiagnostik, die inzwischen auch in Österreich in engen Grenzen erlaubt ist.
Kritiker desgenomediting befürchten nicht zu Unrecht, die neuemethode sei einweiterer Schritt auf dem Weg zum Designer-menschen. Außerdem werden die genetischen Veränderungen auf die Nachkommen übertragen. Es geht also nicht nur um das individuelle Kindeswohl, sondern auch um mögliche Gesundheitsrisikenfürkünftige Generationen.
Weiters wird mit der Gesundheit werdender Mütter experimentiert. Die chinesischen Forscher berichten von Fehlversuchen, halten sich aber mit genauen Angaben zurück. Selbst wenn sich Frauen für derartige Experimente mit dem Risiko von Fehlgeburten und anderen Schwangerschaftsrisiken freiwillig zurverfügung stellen sollten, wäre dies ein Verstoß gegen diemenschenwürde und gegen elementare Menschenrechte.
Falls die Berichte aus China stimmen, haben die verantwortlichen Forscher gegen elementare Regeln guterwissenschaft verstoßen. Dazu gehört die Einhaltung von forschungsethischen Prinzipien, wie sie in