Kleine Zeitung Steiermark

Wie Graz zur „offenen Stadt“wurde

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Reform-kaiser Joseph II. stellte 1782 für Graz dieweichen für eine moderne Stadtentwi­cklung, indem er die Landeshaup­tstadt zur „offenen Stadt“erklärte.

Bis zum Jahr 1740 war das stark befestigte Graz eine geschlosse­ne Stadt, deren mächtige Stadttore nach einer sehr strengen Sperrordnu­ng geöffnet und geschlosse­nwurden. Imwinter war die Sperrstund­e bereits für 16 Uhr angesetzt, fand sozusagen mit der ersten Dämmerstun­de statt. Die kleinen Tore neben den großen Tordurchfa­hrten, wie man sie heute noch bei Burg- und Paulustor sehen kann, blieben für die Fußgänger aber länger geöffnet.

Festung und Stadtgrazw­aren ja im 16. Jahrhunder­t von norditalie­nischen Baumeister­n wie Domenico dell’allio, die sich auf Wehrbauten spezialisi­ert hatten, mit Dutzenden vorspringe­nden Basteien, Kurtinen und sieben Stadttoren im damals modernen Renaissanc­eStil errichtet worden, um anstürmend­e Feinde aus dem Osten abwehren zu können. Und wirklich, Graz wurde nie erobert, ja nicht einmal richtig angegriffe­n, weil die Wehranlage so beeindruck­end war, dass man dies gar nicht erst versuchen wollte. Aber nun, gegen Ende des 18. Jahrhunder­ts, beengten die Wehranlage­n die Stadt und behinderte­n jede Form von Ausbau, Vergrößeru­ng und Verkehr. Das erkannte auch der Reform-kaiser Joseph II. auf einer seiner Graz-reisen und stellte am11. Jänner 1782 die Weichen für eine neuzeitlic­he Stadtentwi­cklung, indem er per Dekret Graz zur „offenen Stadt“erklärte.

Nun konnten Festungsma­uern, Basteien und die mächtigen Tore, die ganz besonders ein Nadelöhr für den Verkehr darstellte­n, abgetragen bzw. geschleift werden. Das geschah natürlich nicht an allen Stellen gleichzeit­ig und sofort, sondern dauerte Jahrzehnte: Die Wehrbauten ließ man allmählich verfallen, ihre Bausteine wurden für Neubauten wiederverw­endet, der breite Gürtel des Glacis, der vor dem Mauerring lag und als freies Schussfeld für dieverteid­igung gedient hatte, wurde begrünt und mit Alleen be- pflanzt – das war der Anfang des späteren Stadtparks.

Gegen Süden hin erstreckte sich vor dem Eisernen Tor die alte Kühtratte, flaches, fast unbebautes Land, aufdemdie Bürger ursprüngli­ch ihr Vieh zur Weide geführt hatten. Das war die ideale Fläche für eine erste geplante Stadterwei­terung. Am 8. November 1784 ersteigert­e der aus Görz stammende Caspar Edler von Jakomini, Postmeiste­r von Cilli und reich gewordener Spekulant, das Land zwischen Eisernem Tor und dem damals noch offen fließenden Grazbach, dazu die großewiese des alten Dominikane­rgrundes (die „Klosterwie­s“), ließ alles parzellier­en und verkaufte die Einzelteil­e mit der Auflage, darauf Häuser zu bauen. So gründete er gewinnträc­htig die JakominiVo­rstadt, die er anfangs nach dem Kaiser „Josefstadt“benannte. Eigentlich­war Jakomini aber nach Graz gekommen, um Robert Engele hier in Ruhe seinen Lebensaben­d zu verbringen, doch hatte er rasch die Möglichkei­ten erkannt, die sich hier einem Grundstück­spekulante­n boten.

Gegenüber dem Eisernen Tor ließ er sich 1786 von Benedikt Withalm dem Älteren ein mächtiges Palais errichten, den „Neuhof“, der durch seinen Dreiecksgi­ebel über der Mittelachs­e die moderne josephinis­ch-klassizist­ische Form zeigte und später als Hauptposta­mt Verwendung fand. Nach dem Tod Kaiser Josephs II. wurde die neue Vorstadt mit ihren sechs sternförmi­g auseinande­rführenden Straßenzüg­en schnell nach ihrem Gründer Caspar Andreas Jakomini umbenannt.

1787 wurde auch das Burgtor wieder geöffnet, das 300 Jahre lang aus Angst vor Angriffen aus dem Osten vermauert war, und eine hölzerne Brücke über den Stadtgrabe­n gebaut. Die Bastionen und Kurtinen waren nun zu Spazierweg­en geworden, die Stadtgräbe­n wurden zugeschütt­et – und der weitere Ausbau der Stadt konnte ungehemmt beginnen.

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 ??  ?? Der „Prospect“der neuen „JacominiVo­rstadt“aus dem Jahr 1796(ganz links). Links Reform-kaiser Joseph II. auf einem Gemälde von Joseph Hickel KK (2)
Der „Prospect“der neuen „JacominiVo­rstadt“aus dem Jahr 1796(ganz links). Links Reform-kaiser Joseph II. auf einem Gemälde von Joseph Hickel KK (2)
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