WEITERE BUCHTIPPS
Hm. Ich habe 1991 als „Writer in Residence“in einer staatlichen Wohlfahrtseinrichtung vorgeschlagen, die Infobroschüren in einfacheres Englisch zu übertragen. Die Antwort war: Nein, danke. Das heißt: Nein, wirwollen nicht, dass Leute, die unsere Leistungen brauchen, wissen, was ihnen zusteht. Für mich ist das ein Tötungsexperiment. Denken Sie an die Aktion T4 ...
... die systematische Ermordung behinderter Menschen durch die Nazis ...
... all die Vergasungsfahrzeuge und Mordzentralen – das ist hässlich und hinterlässt Bewei- Das blaue Buch. Auf Kreuzfahrt erlebt Elizabeth die Wiederbegegnung mit ihrer große Liebe Arthur– undihrervergangenheit als Betrügerin. Ein Buch, in dem sich die Liebe von hinten an Protagonisten und Leser anschleicht. Hanser, 22,60 Euro.
Erzählungen, diesichumliebe, Sex, Trennung, Entfremdung, Hingabe drehen. Hinreißend und mit der ihr eigenen Lakonie erzählt Kennedy hier von so schmerzhaften wie betörenden Leidenschaften. Hanser, 20,50 Euro.
se. Viel „besser“ist es, wenn ein behinderter Mensch zu Hause verhungert, erfriert oder stirbt, weil er seine Medikamente nicht nimmt. So wird es ein ungeahndetes Töten. Zugleich besagt die Propaganda, dass die Ressourcen der Wohlfahrt beschränkt sind und an die Falschen gehen. In Großbritannien gibt es Attacken auf Menschen mit Behinderung, weil sie alle als Tachinierer und Schmarotzer gelten. Wenn man früher so etwas erzählte, haben einen die Leute für verrückt gehalten. Jetzt wird es immer offenbarer.
gräbnis der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher eine gewisse Rolle. Für viele Linke ist sie der Inbegriff negativer sozialer Veränderungen. Auch für Sie?
Mit ihr hat sich die politische Sprache verändert, aber Tony Blair hat das noch viel weiter getrieben. Statt: „Wir wissen, dass Saddam Massenvernichtungswaffen hat“, hieß es bei ihm: „Wir glauben, es gibt diese Waffen.“Und sobald glaubensbasierte Aussagen salonfähig sind, kann man alles sagen, solange es überzeugend ist. Vor dem Gesetz bedeutet es nichts.
Bei all dem düsteren sozialen Hintergrund, in den Sie Ihre Figuren setzen, ist der Roman auch erstaunlich komisch.
Ich denke, Billy Wilders Satz „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“beschreibt das Leben ziemlich gut. Gerade, wer auf Messers Schneide steht, braucht Komik. Und die Hauptfiguren dieses Buches sehen sich an ihre Grenzen getrieben.
Der Regierungsbeamte Jon fliegt vielleicht als Whistleblower auf, Alkoholikerin Meg versucht verzweifelt, trocken zu bleiben. Erstaunlicherweise gönnen Sie den beiden eine Art Happy End.
Der Plan war, dass für die beiden ihr schlimmstmöglicher Tag auch zu dem mit den
schönstenhoffnungen wird. Sie müssen dafür aber die richtigen Entscheidungen treffen; der Druck, der in diesen 24 Stunden auf ihnen lastet, zerschmettert sie oder verändert sie. Und ich wollte zeigen, dass sie sich verändern können – aber nur gemeinsam.
Die beiden sind wie verschreckte Mollusken, die am liebsten in ihren Schneckenhäusern verharren möchten. Und bei all dem wirken sie so unglaublich britisch, dass es fast klischeehaft ist.
Ja, beide verstecken alles von sich. Aber es geht darum, dass zu zweit alles irgendwie geht, wenn man seine Dysfunktionalitäten offen zur Schau trägt. Und natürlich sind Engländer wirklich unfassbar gehemmt, das kann ich als Schottin in England sagen. Einem Engländer kann man alles Mögliche antun, und er wird finden: Na gut, ich hab’s vielleicht verdient, dass man mich niedersticht. Und er darf sich nie, nie beschweren. Bekommt man rohes Hühnchen serviert, muss man es essen und es loben, wenn der Kellner fragt, ob es schmeckt. Nörgeln darfmandarüber erst hinterher, vor dem Postboten, weil man sich immer nur im Nachhinein bei jemandem beschweren darf, der nichts mehr ausrichten kann. Das erklärt dann auch den Wahnsinn in unserer Politik.