Kassandra, die die Hoffnung nicht aufgibt
Er ist seit Jahrzehnten der gewichtigste Kritiker von Medien, Kapitalismus und Ungleichheit. Der Us-amerikanische Linguist, Aktivist, Anarchist und Mahner Noam Chomsky wird 90.
Derwegwar vorgezeichnet. Noam Chomsky wurde in eine Familie von Gelehrten geboren, in der Schrift und Sprache lebensbestimmend waren. Aber der Sohn eines hebräischen Linguisten, der später eine fulminante akademische Karriere hinlegen sollte, wendete seinen intellektuellen Blick schon sehr früh auf die Ungerechtigkeit der Welt, aufs Politische. Mit zehn verfasste er seinen ersten Artikel über den Bürgerkrieg in Spanien und entflammte mit 12, 13 Jahren für die Idee des Anarchismus. Wobei der Begriff natürlich nicht eine chaotische Regellosigkeit meint, sondern darunter die Selbstbestimmung und Solidarität innerhalb von unterdrückten Schichten versteht.
Diese Idee des Anarchismus, der antiautoritären Selbstbestimmung des Individuums, lässt Chomsky sein Leben lang nicht mehr los. Er wird zum libertären Frei- und Querdenker,
undogmatisch, ständig werbend für seine Vorstellung des Anarchismus als ein politisches Gegengift gegen linke und rechte Diktaturen, eine kapitalistische Welt der Ausbeuter, den USamerikanischen Imperialismus und die Ungleichheit in der Gesellschaft.
Der Marxismus vieler seiner Mitstreiter und intellektuellen Weggefährten hat ihn weit weniger angezogen, so wie Chomsky auch innerhalb des linken philosophischen Spektrums aneckte. Diefrankfurter Schuleumtheodor Adorno hält Chomsky für recht uninteressant und gekünstelt, die französische Postmoderne empfindet er gar als einen Tummelplatz der Scharlatane.
Mit einem dieser französischen Philosophen lieferte er sich 1971 eine legendär gewordene Konfrontation. Fürs holländische Fernsehen debattierte er mit Michel Foucault. Gegen den charismatischen, wie ein Künstler wirkenden Bonvivant aus Frankreich erschien Chomsky wie ein Puritaner. Aber gerade diese einfache, aufrechte Haltung macht die Faszination des Amerikaners aus. Chomsky glaubt unerschütterlich an die Weisheit des Einzelnen, daran, dass Menschen absolut in der Lage sind, ihre Situation zu begreifen, und ihre Fähigkeit, etwas zu ändern.
Als Hauptfeinde hat der unnachgiebige Mahner seit Jahrzehnten den Kapitalismus, die Kriegstreiberei und die Medien ausgemacht. Letzteren misstraut Chomsky schon seit der Berichterstattung der Us-presse über den Spanischen Bürgerkrieg. Er blieb der Ansicht, dass Medien