„Warten ist kühn, kein Bausparvertrag“
„Warten ist ein sehr verletzlicher Zustand.“Friederike Gräff erkundet ein ungeliebtes Phänomen unserer Tempo-gesellschaft.
über gestohlene Lebenszeit. Warten scheint unserem Nützlichkeitsprinzip zu widersprechen. Passt daswarten überhaupt noch in unsere Zeit?
Es sollte. Ich binweit davon entfernt, es zu verklären. Aber ich glaube, dass Warten auch eine Ruhe- und Auszeit bedeuten kann. Dievorstellung, unser gesamtes Leben würde im Aktionsmodus stattfinden müssen, macht notwendigerweise unglücklich.
Sie sind für Ihr Buch vomkreißsaal bis zum Hospiz, vom Asylwerber bis zum Strafgefangenen, von Transplantationskandidaten bis zur Partnervermittlung vielem auf der Spur gewesen. Welches Warten hat Sieammeisten beeindruckt?
Der Gesprächspartner, der mich am stärksten beeindruckt hat, war ein Mann, der sich in Sicherungsverwahrung befand, also nicht zielgerichtet warten konnte, weil es kein konkretes Entlassungsdatum gab, der andererseits aber recht dringlich darauf wartete, durch Lockerungsmaßnahmen das erste Mal wieder nach draußen zu kommen. Er hat für mich am klügsten beschrieben, dass Warten ein sehr verletzlicher Zustand ist, weil es bedeutet, dass man hofft.
Das führt zur moralischen Dimension deswartens. Es ist ja ein Zeichen von Treue, weil es ausdrückt, dass man erwartet, dass das Erhoffte in Erfüllung geht.
Das ist das Faszinierende am Warten: dass es von außen betrachtet erst einmal ein eher dröger und hausbackener Zustand ist. Gleichzeitig könnte man sagen, dass die Entscheidung, dass man wartet, etwas ziemlich Kühnes hat – weil es keinerlei Garantie dafür gibt, dass es sich lohnt. Es ist eben kein Bausparvertrag.
Kinder
Bezug