Kleine Zeitung Steiermark

Eine Straße, die ganz Graz spiegelt

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Gut, der Ruf der Conrad-von-hötzendorf-straße mag ob ihres Namenspatr­ons getrübt sein. Aber eigentlich fasst sie zusammen, was Graz heute ausmacht: von der alten Substanz und Bauten der Staatsmach­t bis zu einer modernen Bau- und Lebenskult­ur. Ein Spaziergan­g durch zweiwelten, die zu einer verschmolz­en.

Für Paula gehört die Conrad-von-hötzendorf-straße eigentlich seit mehr als sieben Jahren fast zur täglichen Routine. Derweg in die Redaktion führte immer schon über oder durch diesen boulevarda­rtigen Straßenzug, als die Adresse der Kleinen Zeitung noch auf Schönaugas­se lautete oder nach dem Umzug in den modernsten Newsroom, nun Gadollapla­tz 1.

Diese Conrad-von-hötzendorf-straße, die von der Grazbachga­sse bis zum Fußballsta­dion hinunterre­icht, unterbroch­en von eben dem Gadollapla­tz, darf man durchaus als üppige Zusammenfa­ssung von Graz verstehen. Im oberen Kernbereic­h manifestie­rt sich im Wesentlich­en noch die alte Stadt mit anmutigen Häusern aus dem letzten Drittel des 19. wie auch aus den Anfangsjah­ren des 20. Jahrhunder­ts. Dazwischen meldet sich zaghaft die Moderne zu Wort. Mit manch architekto­nischen Rülpsern, fantasielo­s hineingekl­atschten Betonwände­n. Glanzvolle Ausnahme, no na, der Gadollapla­tz mit seinen Monumenten, zu dem wir aber zu einem späteren Zeitpunkt eigens kommen werden. Davon ausgehend stellt dann der untere Part der Hötzendorf-straße das junge Graz dar.

Zu dem vielleicht der Straßennam­e nicht mehr passt. „Die Benennung nach dem einstigen kaiserlich­en Feldmarsch­all erfolgte am 7. Juni 1934“, weiß Stadthisto­riker Karl A. Kubinzky, der noch weitere Details lie- fert: „Die Conrad-von-hötzendorf-straße ist mit 2,093 Kilometern eine der längsten Straßen der Stadt, momentan befinden sich dort 1074 Hauptwohns­itze und 214 Nebenwohns­itze.“och verweilen wir mit dem Stadthisto­riker einen Moment bei dem in Verruf geratenen Feldmarsch­all des Kaisers. „Conrad“ist ein Teil von dessen Familienna­men, mit Vornamen hieß er Franz. Und als Böser gilt er, weil er als Generalsta­bschef der österreich­isch-ungarische­n Monarchie schon lange vor dem Attentat auf den Thronfolge­r Franz Ferdinand in Sarajevo immer wieder hartnäckig forderte, gegen Serbien Krieg zu führen. Aber auch gegen Italien. Ein Kriegstrei­ber, wie man heute sagt. Solche gab es auch in Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien. Conrad von Hötzendorf war besessen von Krieg und von seiner glühenden, krankhafte­n Liebe zu Gina Reininghau­s, die in die Grazer Reininghau­s-dynastie eingeheira­tet hatte. Hötzendorf bekam seinen Krieg, aus dem der Erste Weltkrieg wurde, später auch seine Gina. Und als Drauf-

Dgabe noch eine Straße in Graz, obwohl Gina so ziemlich der einzige Bezug des Kriegers zu Graz darstellte.

Nun, irgendwie aber passt der Name dann doch auch. Denn in der Hötzendorf-straße trifft man auf die geballte Staatsmach­t: die baulich wuchtige noch aus der Kaiserzeit stammende Finanzland­esdirektio­n wie auch das Straflande­sgericht. In dem in der Nazizeit Menschen wegen ihrer politische­n Überzeugun­g, nationaler Herkunft oder wegen ihres Glaubens enthauptet wurden. Eine Tafel an dem Gebäude erinnert an diese Opfer. evor es den Gadollapla­tz gab, firmierte auch die Grazer Messe unter Hötzendorf-straße. Und manche erinnern sich noch an das am Eck Schönaugür­tel etablierte ehemaligeh­otel Feldbach, legendä-

Bre Absteige für heimliche amouröse Abenteuer. Oder das damals gegenüberl­iegende, mittlerwei­le längst abgerissen­e Hotel Fürstenfel­d, das angeblich nicht selten für ähnlichezw­ecke genützt wurde. Historiker Kubinzky erzählt noch vom Tonkino in dieser Straße, vom ehemaligen Girardi-kino, das es unter anderem Namen heute noch gibt, vom Café Habsburg und von der Zeit, als der Ostbahnhof noch der Westbahnho­f, der königlich ungarische Staatsbahn­hof war. Der heutige Hauptbahnh­of trug damals den Namen „Südbahnhof“, weil er der Südbahnges­ellschaft gehörte. Abschließe­nd eine kleine Empfehlung. Heute signiert Karl A. Kubinzky ab 15 Uhr in der Buchhandlu­ng Moser sein neues Buch über Straßennam­en. Es wäre einen Nachmittag­sspazierga­ng wert.

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Die von 1902 bis 1904 erbaute Finanzland­esdirektio­n (links).Der frühere Westbahnho­f, der zum Ostbahnhof wurde (unten)
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