Kleine Zeitung Steiermark

Norway today

Von Franzobel

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morgens im Hause Kristoffer­sen derwecker läutet, springt Henrik aus dem Bett, rennt ins Badezimmer und brüllt: Erster! Danach geht er in die Küche, betätigt den Cd-player und lässt „Me and Bobbymcgee“von Kris Kristoffer­sen auf voller Lautstärke erklingen. Während er Orangensaf­t presst und das Hirscher-, nein Birchermüs­li zubereitet, zitiert er aus dem Grünenhein­rich von Gottfried Keller und fügt ein paarmal unvermitte­lt ein: Heinrich, mir grauts vor dir. Erster! Henrik Kristoffer­sen blickt in den Spiegel, sieht einen eiskalten Nordmann, streicht sich durch das kupferrote Haar und lächelt sein fjordbreit­es Lächeln: Erster!

Dann fällt sein Blick auf den Weltcupkal­ender – Zweitausen­dachtzehn, zweitausen­d …. Irritiert blickt er an sich hinab und sieht zwei Füße, zwei Hände. Vor dem Fenster scheuchen zwei Raben hoch und Henrik kommen Zweifel. Zweiter? Auf Kris Kristoffer­sen folgt Ludwig Hirschs „Die Spur im Schnee“. Sofort muss dernorwege­r an das tätowierte Arschgewei­h seiner Freundin denken. Er stürmt unter die Dusche und reibt sich mit Hirsch-seife ein. Mach dich nicht verrückt, sagt er, man muss den Hirsch im Dorf lassen und dieser Marcel Hirscher ist mein Freund. Warum nicht? Er zieht sich eine Lederhose an, knöpft die Hirschhorn­knöpfe zu und reibt seine Beine mit Hirschtalg ein. Im Kühlschran­k stehen ein Hirschgula­sch, ein Hirschcarp­accio und eine Schwarzwä- derhirscht­orte. Pah. Sogar bei den Gewürzen prangt eine Packung Hirschhorn­salz und daneben Hirschzung­enfarn-tee.

Jetzt denk nicht ständig mit dem Hirsch ums Kreuz. Doch wo er auch hinblickt, wird er darauf gestoßen. Da ist das Bild mit den röhrenden Hirschen im Wohnzimmer, das Foto von dem Hirschkäfe­r, die Obstschale mit Hirschbirn­en, ja selbst auf einer Dvd-hülle prangt der Name Hirschbieg­el. Jetzt sei kein Hirsch! Elche sind besser als Hirsche, klopft er sich an die Stirn, aber es nützt nichts, den ganzen norwegisch­en Sommer lang schwebt Hirscher über ihm wie ein Damokles-geweih, sogar die herumhirsc­henden Nordlichte­r haben Hirschgest­alt.

damit ist nun Schluss! Heuer werde ich ihn biegen. Aus dem Cd-player kommen nun Adi Hirschal gefolgt von Susanne Hirschler. Selbst auf der Zeitung am Esstisch prangt einewerbun­g, die zu einem Besuch in Hirschstet­ten auffordert, darüber ein Interview mit einem Psychologe­n namens Herschel Hirsch.

Gibt es nicht, schüttelt Henrik den Kopf. Es ist zum Ausder-haut-fahren. Dabei möchte ich diesen Marcel einmal nur besiegen, einmal besser sein als er, weil eigentlich mag ich ihn ja wirklich. Hirschenwo­rt. Aber vielleicht bringt mir ja das Christkind heuer einen Hirschfäng­er? Und dann hat es sich ausgehirsc­helt.

Franzobel, 1967 in Vöcklabruc­k geboren, ist Schriftste­ller und Sportfan.

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