Kiews Kirche nabelt sich von Moskau ab
Die Gründung einer ukrainischen Nationalkirche befeuert den Konflikt mit Russland.
Petro
Poroschenko ließ es sich nicht nehmen, die Neugründung persönlich auszurufen. „Das ist eine Kirche ohne Putin“, verkündete er nach Ende des Konzils vor der Kiewer Sophienkathedrale. „Das ist eine Kirche ohne Gebete für Russlands Staat und Russlands Krieger. Weil der russische Staat und seine Krieger Ukrainer töten. Es ist eine Kirche mit Gott!“
Am Wochenende konstituierte sich auf einem Konzil in Kiew die neue „Orthodoxe Kirche der Ukraine“. 190 Geistliche wählten den Metropoliten Epiphanius zu ihrem neuen Oberhaupt. Am 6. Jänner will Patriarch Bartholomäus von Konstantinopel, der als höchste Instanz der orthodoxen Weltkirche gilt, den ukrainischen Orthodoxen schließlich feierlich Autokephalie, also religiöse Eigenständigkeit, verleihen.
das Moskauer Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche, dem die Ukraine seit 1686 unterstellt war, heftig Front. Moskau hat im Oktober alle Beziehungen zu Konstantinopel abgebrochen. Und von 90 eingeladenen Bischöfen der russlandtreuen „Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats“nahmen nur zwei an dem Konzil in Kiew teil. Bischof Ilarion vom Moskauer Patriarchat bezeichnete beide als „Judasse“, nach dem Apostel, der Jesus verraten hatte.
Der russische Patriarch Kyrill warnte vor dem Konzil, es drohe eine Verfolgung der Gläubigen in der Ukraine. Prorussische Rebellen wie Ukrainer meldeten im Donbas prompt geplante militärische Großoffensiven des Feindes. Das Konzil verlief friedlich. Aber Politologen sind sich einig, dass der Kirchenstreit eine Verlängerung des Konfliktes zwischen Russland und der nachwesten strebenden Ukraine ist. „Die Verselbstständigung der ukrainischen orthodoxen Kirche ist für Russland wie ein ideologischer Beitritt zur Nato“, sagt der Kiewer Politologe Wadim Karasjew. Ebenso gilt es als offensichtlich, dass Poroschenko gut drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen Ende März bemüht ist, aus dem Kirchenstreit politischen Nutzen zu schlagen. „Ich bin für religiöse Selbstständigkeit der ukrainischen Kirche“, sagt der russisch-orthodoxe Publizist Maxim Schewtschenko. „Aber nicht unter Bedingungen, die der Wahlkämpfer Poroschenko diktiert.“
Die moskautreue ukrainisch-orthodoxe Kirche ist mit 39,4 Prozent aller ukrainischen Gläubigen die größte Konfession im Land. Karasjewerwartet aufgrund der russischen Aggression, dass in der Ostukraine viele Gläubige zur ukrainischen Orthodoxie überwechseln werden. Der Russe Schewtschenko dagegen fürchtet Übergriffe gegen moskautreue Priester und Kirchen. „Gewalt erzeugt Gegengewalt. Und das bedeutet neuen Krieg.“