Vomschweigekanzler zum Redekanzler
einfallsreich war die Gesellschaft Österreichisches Deutsch nicht, als sie heuer „Schweigekanzler“zum „Wort des Jahres“erklärte. Aber darauf kam es ihr nicht an. Wichtig war offenkundig nur, den Kanzler anzuschwärzen, deshalbnahmsie daswort für bare Münze. Andernfalls hätte sie es zumunwort des Jahres gemacht.
Schweigekanzler war seinerzeit aufwolfgang Schüssel gemünzt worden, weil er sich weigerte, auf jedenanwurf von Jörg Haider aus Kärnten an die Regierung in Wien zu reagieren. Das hätten seine Gegner gern gehabt, um einen „Konflikt in der Koalition“zu inszenieren. Das unmittelbar bevorstehende Ende derkoalitionwurde damals imwochenrhythmus prophezeit. Schüssel spielte nicht mit, das nahm man ihm übel, und bestrafte ihn mit dem besagten Epitheton. Nun wird dasselbe mit Sebastian Kurz gespielt. Auch von ihm wird erwartet, dass er sich ständig zur FPÖ äußert, und auch jetzt wird jedentag der große Konflikt in der Koalition an diewand gemalt. Sogar dem Bundespräsidenten fiel nichts Besseres ein, als vom Kanzler zu verlangen, er solle einen Eu-abgeordneten der FPÖ maßregeln. Kurz überließ die Lappalie vernünftigerweise dem Fraktionsführer derövpim Eu-parlament.
Trotzdem hat es mit dem „Schweigekanzler“schon etwas auf sich; aber nicht in dem Sinn, den die Gesellschaft Österreichisches Deutsch ihm in plumper Absicht gibt. Wenn Kurz ein Reformkanzler werden will, wird er auch ein Redekanzler werden müssen. Nicht, dass er zu wenig über seine jeweiligen politischen Vorhaben redete oder nicht imstande wäre, zu jeder österreichischen oder internationalen Frage etwas Treffendes zu sagen.
müsste aber erklären können, welche Idee hinter den vielen einzelnen Vorhaben steckt, wohin er Österreich bringen möchte undwas aus dem Land unter seiner Führungwerden soll. Aus den vielen Bruchstücken, die wir schon kennen, ist noch keine „Erzählung“geworden, wie man das heute nennt.
war viele Jahre lang Leiter der Wiener Redaktion der Kleinen Zeitung.
Wichtig war offenkundig nur, den Kanzler anzuschwärzen, deshalbnahm die Gesellschaft Österreichisches Deutsch daswort für bare Münze.